filmfan
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« Antworten #11 am: 17. September 2017, 18:48:36 » |
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Zuerst einmal die Feststellung zu Holmes' "Krankheit" in den Büchern: Diese ist Gegenstand einer Reihe von Geschichten, die in der späten Zeit der Beziehung zwischen Holmes und Watson spielen, und gibt hin und wieder überhaupt den Anlass für den Beginn oder die Ausgangssituation einer Story. In diesem Fall ist es legitim, die Krankheit zu verarbeiten und auf sie einzugehen, ist es legitim für den Autoren, sie in der Geschichte zu erwähnen. Jedes weitere Einbauen dieser Problematik dient in den Geschichten dem Entstehen eines echten "menschlichen" Holmes-Bildes, der Schaffung einer Pseudo-Realität. In visuellen Verarbeitungen der Stoffe ist dies nicht mehr nötig, da durch die optische Verarbeitung eine Beziehung zur Realität aufgebaut und meist auch durch kleine Zugaben, die vom Original abweichen, verstärkt wird. In Filmen oder TV-Episoden sollte die Krankheit demnach nur thematisiert werden, wenn sie direkt in Verbindung zu dem Fall steht.
In den späten Langfilmen der Brett-Ära scheint es mir jedoch eher so zu sein, dass der Fall plötzlich in Verbindung mit der Krankheit gebracht werden muss, um sie zu erklären, zu thematisieren und in irgendeine Weise in den Film einzupassen. Der kranke Holmes ist nicht mehr der des Buches, der sich bemüht, den Alltag ohne Krankheit herbeizuschaffen, sondern eine neu geschaffene Fantasiefigur, die zwar ebenfalls an einer Krankheit leidet, diese jedoch als Beweggrund für psychologische Fantastereien MISSBRAUCHT.
Darüber hinaus stehen außer der Tatsache, dass beide, sowohl Darsteller als auch Rollenvorlage, an einer Krankheit leiden, keinerlei Verbindungen der beiden Krankheiten im Raum. Einfach ausgedrückt: Holmes ist überarbeitet. Brett ist manisch-depressiv, und das meines Wissens nach angeboren.
Ich würde aber nie behaupten dass Bretts darstellerische Leistung in der Serie "The Return Of Sherlock Holmes - 2" oder in irgendeiner späteren Folge schlecht ist. Sicher hat Brett immer, innerhalb seiner Möglichkeiten - und diese waren fraglos nach und nach immer weiter durch besagte Krankheit eingeschränkt -, die beste Leistung abgegeben hat, die abzugeben er in der Lage war. Nur leider scheint mir dieser Rahmen des Möglichen nicht mehr den Rahmen des Charakters Holmes erfassen und vor allem umsetzen zu können. Insofern ist es bedauerlich, dass man einen kranken Menschen wie Brett bis zu seinem Tode vor die Kamera gezerrt hat, um mit ihm Holmes zu drehen, wie man heute den 100 + x -jährigen Johannes Heesters vor die Kamera zerrt, nur, weil es beide nicht anders gewohnt sind / waren.
Jeremy Brett ist für viele DER Sherlock Holmes. Das liegt nicht nur daran, dass die TV-Serie der Granada den Vorlagen so eng folgt, sondern dass Brett den Charakter des Sherlock Holmes in seinen Einzelheiten von den Büchern auf den Bildschirm übertrug. Er verkörpert einen originalgetreuen Holmes, dessen Extravaganz und Exzentrik er mit seinem Schauspiel darstellt. Er serviert dem Zuschauer auf dem Silbertablett, was sie von Holmes in seinen Eigenschaften erwarten. Und wenn er das krankheitsbedingt in den späten Folgen nicht mehr kann, dann stellt das eine ernsthate Einschränkung dar, die die Fans der Serie enttäuscht.
Rathbone hingegen spielt einen wesentlich ruhigeren, oft liebenswerteren, wenngleich nicht weniger spitzfindigen Holmes. Bei ihm kommt noch eine gute Prise Humor dazu. Aber was Holmes in den Büchern ausmacht, bringt er eben nicht unmittelbar so in den Vordergrund wie Brett. Er spielt es hintergründiger. Der Zuschauer muss den Holmes des Canon gut kennen, um sein Verhalten an vielen Stellen richtig deuten zu können. In diesem Zuge möchte ich erwähnen, dass sowohl der Drehbuchautor Bertram Millhauser, der eine Vielzahl der Rathbone-Holmes-Drehbücher schrieb, als auch Rathbone selbst, echte Holmes-Spezialisten und -Kenner waren, die mehr vom Original in die Filme einbrachten, als auf den ersten Blick vielleicht sichtbar ist und als Fabi und andere "Gegner" der Rathbone-Serie wahrhaben wollen.
Einfach ausgedrückt: Brett verbildlicht den Charakter in einer Geradeaus-Interpretation, die in den letzten Filmen nicht mehr "geradeaus" genug war. Rathbone spielt den echten Charakter "zwischen den Zeilen", während er einen AUF DEN ERSTEN BLICK sehr anderen Holmes kreiert.
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