01. The Mrs Bradley Mysteries: Speedy DeathInhalt:
Auf dem Landsitz ihrer alten Bekannten, der Familie Bing, angekommen, wird Adela in einen äußerst delikaten Mordfall verwickelt: Der Verlobte ihrer querschnittgelähmten Patentochter wird tot in der Badewanne gefunden. Während sich keine äußeren Verletzungen finden lassen, schockiert der Anblick der nackten Leiche umso mehr: Es stellt sich heraus, dass Everard Mountjoy in Wahrheit eine Frau war!Natürlich fallen Adela Bradley sofort eine Menge Gründe ein, weshalb eine Frau mit großen Ambitionen – in der Gesellschaft nicht ernstgenommen – ihr Leben in der Verkleidung eines Mannes führen wöllte. Ebenso selbstverständlich aber stößt sie mit ihren Worten auf taube Ohren, denn die Familie Bing ist das Ebenbild von Rechtschaffenheit und Tradition. Da es sich um den Pilotfilm der Reihe handelte, wollte die BBC offenbar ein besonders großes Angebot bekannter britischer Seriendarsteller aufbieten, sodass der Zuschauer u.a. Emma Fielding („Inspector Barnaby“, „Poirot: Auch Pünktlichkeit kann töten“) und Tristan Gemmill („Poirot: Mit offenen Karten“) zu sehen bekommt. Während sich mir die Bedeutung der Prä-Titelsequenz mit der Beerdigung des Mannes von Adela nicht ganz erschließt, entwickelt sich bald in rasantem Tempo ein typischer Landhaus-Krimi mit zahlreichen Verwicklungen, Vergehen und Verdächtigungen. Die in der Inhaltsangabe geschilderte Ausgangssituation erinnerte mich übrigens verdächtig an den Edgar-Wallace-Roman „Der viereckige Smaragd“. Man darf natürlich, wie üblich für solche Krimistoffe, nie den roten Faden verlieren, weil zu Beginn relativ viele Personen in kurzer Zeit vorgestellt werden, findet sich dann aber dank der guten Besetzungen bestens zurecht. Besonders heraus stechen die schon erwähnte Emma Fielding, aber auch John Alderton als Familienpatriarch (im britischen Fernsehen seit den 1960er Jahren) und Tom Butcher, der den windigen Bekannten Bertie Philipson als seine gerade einmal zweite TV-Rolle überhaupt spielt.
„The Mrs Bradley Mysteries“ überzeugt zudem durch einen reichlichen, aber geschmackvollen Einsatz beschwingter Zwanzigerjahremusik, der hier sogar zeitweise von einer Live-Band gespielt wird. Durch die 90 Minuten Spielzeit kann sich die Handlung ebenfalls kurze Ausweicher ins Komödiantische erlauben und sowohl Avancen der Hausbewohner untereinander als auch jene Alistair Bings gegenüber Adela und die eines Hausmädchens gegenüber George Moody zeigen. Nichtsdestotrotz wartet die Geschichte mit einer Lösung auf, wie sie auch in einem Poirot- oder Marple-Film vorkommen könnte. Genau die Zielgruppe, die sich diese Christie-Verfilmungen gern ansehen, sollte auch an den „Mrs Bradley Mysteries“ Gefallen finden.
5 von 5 Punkte
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02. The Mrs Bradley Mysteries: Death at the Opera
Inhalt:
Mrs Bradley wurde von ihrer ehemaligen Schule eingeladen, einer Opernaufführung beizuwohnen. Eine Sängerin tritt jedoch nicht auf die Bühne – weil sie tot ist. Als erstes Rätsel entpuppt sich die Todesursache, denn mit dem Urteil des Arztes, natürlicher Tod durch Herzanfall, will sich Adela Bradley nicht zufrieden geben.Auch in der ersten regulären Serienepisode der „Mrs Bradley Mysteries“, die nach dem Erfolg des Pilotfilms Anfang 2000 ausgestrahlt wurde, gelingt es Diana Rigg, kleine Gesten und Spitzen einzubauen, die den Charakter der Mrs Bradley gut treffen. So kann man ihr die unbequeme Angespanntheit beim Besuch der alten Haushaltsschule, in der Mädchen zu guten Ehefrauen und Damen der Gesellschaft erzogen werden sollen, ebenso anmerken wie ihre Abneigung gegen die Oper, von der man eingangs glücklicherweise nur kurze Ausschnitte zu sehen und hören bekommt. Als hübschen Kontrast darf sie in einer späteren Szene allerdings sogar gemeinsam mit Neil Dudgeon einen Tango aufs Parkett legen, was gewisser komödiantischer Anleihen nicht entbehrt, zumal sie genau weiß, dass der Tanz aus den Bordellen von Buenos Aires stammt.
Gewisse Elemente der Geschichte lassen darauf schließen, dass der zugrundeliegende Originalroman von Gladys Mitchell, der im Jahr 1934 erschien (beim Pilotfilm „Speedy Death“ handelt es sich übrigens um eine Verfilmung des Mrs-Bradley-Erstlings aus dem Jahr 1929), ähnlich wie bei der Miss-Marple-Verfilmung „Die Tote in der Bibliothek“ mit Geraldine McEwan abgeändert worden ist, doch diese kleine Abweichung von klassischen Inhalten des englischen Krimis macht sich in „Death at the Opera“ weniger negativ bemerkbar als bei der ITV-Christie-Umsetzung. Das kann neben dem Feingefühl der BBC-Inszenierung auch daran liegen, dass Mrs Bradley wesentlich weltoffener sowie mondäner und gleichzeitig weniger altbacken ist als ihre Kollegin Miss Marple. Die beiden Frauen, obwohl man sie im ersten Moment vielleicht schnell in eine ähnliche Schublade steckt, haben an sich so wenig miteinander zu tun wie nur irgend möglich. Lediglich ihre Leidenschaft für die Kriminalistik verbindet die eloquente Adela mit der alten Jungfer aus St. Mary Mead.
4 von 5 Punkte
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03. The Mrs Bradley Mysteries: The Rising of the Moon
Inhalt:
Bei einer abendlichen Zirkusveranstaltung in dem kleinen Dörfchen Little Fordham wird eine Artistin erstochen. Natürlich sucht der Inspektor den Mörder zunächst im Kreis der Zirkusleute, doch Adela Bradley, die von ihm zur Unterstützung hinzugezogen wird, ist der Meinung, dass jeder Dorfbewohner als Täter in Frage kommt.Zum zweiten Mal nach „Death at the Opera“ taucht Inspektor Henry Christmas in der Gestalt von Peter Davison auf. Mit diesem dritten regelmäßigen Darsteller (noch einmal in „The Worsted Viper“ zu sehen) ist das Trio eines jeden guten Krimis perfekt: der Detektiv mit außerordentlicher Begabung (Mrs Bradley / Sherlock Holmes / Poirot), der Assistent (George Moody / Dr. Watson / Captain Hastings) und der Scotland-Yard-Mann, der sich auf Fakten beruft, aber eher Vorurteilen und voreiligen Schlüssen zugetan ist (Christmas / Lestrade / Japp). Trotz der offensichtlichen Parallelen zu den Klassikern der detective stories erinnert „The Rising of the Moon“ allerdings eher an „Inspector Barnaby“ als an Holmes oder Poirot, was vor allem an dem malerischen dörflichen Setting liegt, in dem die Geschichte angesiedelt ist und unter dessen Oberfläche es dampft und brodelt. Die Schausteller sind da nur Verzierung und Ablenkung – diesen Job erfüllen sie aber mit Bravour, denn Zirkuskrimis zählen immer zu meinen besonderen Favoriten.
Bei den Darstellern liefert vor allem Nicholas Woodeson, der nun unter dem Kurznamen Nick agiert, den man aber schon aus der 1982er-BBC-„Hound of the Baskervilles“-Verfilmung mit Tom Baker als reichlich kurz geratenen Sir Henry kennt, eine beeindruckende Leistung als Saubermann der Gemeinde ab. Er war übrigens zwei Jahre zuvor bereits bei „Barnaby“ in der Episode „Requiem für einen Mörder“ mit dabei und spielte ebenfalls in der 1997er-Neuadaption des Wilkie-Collins-Klassikers „The Woman in White“. Unter den Zirkusleuten stechen viele illustre Personen und Persönchen heraus, u.a. der leicht abgehalfterte Clown, der auf eine ebenso lange Karriere zurückblicken kann wie sein Darsteller Kenneth Colley („Lord Peter Wimsey: The Nine Tailors“).
5 von 5 Punkte
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04. The Mrs Bradley Mysteries: Laurels Are Poison
Inhalt
Adela Bradley stattet ihrer Jugendfreundin Isabel Marchmont einen Besuch ab und taucht dabei in die Welt der Familie und ihrer Angestellten ein, die quälende Missgunst und Ungewissheit ans Tageslicht bringt. Die Köchin wird vergiftet und Geister und Affären scheint es reichlich zu geben.In dem Familiendrama, das für die Verhältnisse der „Mrs Bradley Mysteries“ relativ düster geraten ist, gilt es für alle Protagonisten (außer Mrs Bradley, versteht sich), die Geister der Vergangenheit zu überwinden. Diese präsentieren sich einerseits in Form böser Erinnerungen an bzw. Träume vom „Krieg“, einer Bezeichnung, unter der die Engländer auf alle Zeiten den ersten der beiden Weltkriege verstehen werden, andererseits in Form „echter“ Geister. Während die Reminiszenzen an das durchlittene Leid in den Schützengräben und die Gefallenen vor allem auch von George Moody Besitz ergreifen, eignet sich der malerische Landsitz Dorney Court (siehe z.B. „The Case of the Frightened Lady“) als Kulisse für Spuk und Aberglaube ganz besonders.
Immer wieder werden im Rahmen der Serie auch die Klassenunterschiede deutlich, die zwischen Mrs Bradley (hier einmal selbst am Steuer zu sehen) und ihrem Chauffeur gemacht werden. Die Kritik dieser Szenen geht zwar meist in einem Feuerwerk an Ironie unter, kommt hier in der sehr unterschiedlichen Behandlung der beiden Personen aber offen zur Sprache. Während Adela ungestört ihre Nase in alle Belange der Familie hineinstecken kann, muss George mit heftigem Gegenwind rechnen. Dieser kommt nicht zuletzt von Douglas Prideux, dessen Darsteller Ronan Vibert mit seinem gerissenen Gesicht so hervorragend zu undurchsichtigen Schurkenrollen passt, dass es mich wundert, dass ihn die „Poirot“-Serie erst 2010 für „Three Act Tragedy“ in der recht unscheinbaren Rolle des Captain Dacres entdeckte.
4 von 5 Punkte
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05. The Mrs Bradley Mysteries: The Worsted Viper
Inhalt:
Mrs Bradley begleitet ihren Chauffeur George zu den Hochzeitsvorbereitungen seiner Tochter Cecily in einen kleinen Ort an der Küste, weil sie just dort eine Laudatio auf Inspektor Christmas halten soll. Das ist aber nicht alles: Schon am Ankunftstag wird ein Mädchen tot aus dem Wasser gezogen.Mrs Bradley ermittelt trotz ihres Wohnsitzes nie in London, sondern stets in abgelegenen Dörfern oder eleganten Herrensitzen. Dies liegt wohl vor allem an dem Bestreben der Produzenten, teure historische Aufnahmen eines vergangenen und nur schwer wieder herzurichtenden Londons zu vermeiden, fällt aber nicht als Mangel, sondern vielmehr als besonderes Charakteristikum der Serie auf: Großstadtflair wird vermieden, die Idylle fein herausgeputzt. Im vierten Teil verschlägt es Adela und George nun an die Küste, wo sie auf den altbekannten Inspektor Christmas treffen. Für ihn hält das Drehbuch eine besondere Rolle bereit, darf er sich doch nach Auszeichnung mit dem Member-Orden des British Empire endgültig aus dem Polizeidienst verabschieden. Eine weitere Charakterentwicklung macht sich in der Tochter von George Moody bemerkbar, die hier zum ersten Mal angesprochen wird und gleich unter die Haube gebracht wird. Die reizende Rebecca Callard verleiht der Geschichte Frische und Naivität, die sich gut gegen die sarkastische Lebenserfahrung von Mrs Bradley abhebt.
Weniger angenehm macht es sich da, dass die Schlange nicht nur im Titel, sondern auch in Stoff- sowie lebendiger Form als Bestandteil eines ritischen Kults in der Folge vorkommt, der stellenweise – mitsamt eines durchgeknallten Kapuzenträgers – an Edgar Wallace’ Roman „Der unheimliche Mönch“ erinnert.
5 von 5 Punkte
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Auf jeden Fall darf es als bedauerlich gelten, dass die „Mrs Bradley Mysteries“ nach insgesamt nur fünf Folgen schon eingestellt wurden.
Diana Rigg gelingt allem Vernehmen nach zwar nicht die getreueste Verkörperung der Mrs Bradley aus den Romanen, die eher klein, untersetzt und hexenartig wirken soll, dafür aber die schlagfertigste und spaßigste. Mit ihr und auch Neil Dudgeon, der sich in jeder Folge erneut als idealer „Nebenhauptdarsteller“ erweist, steht und fällt eine Reihe teilweise abstruser, aber immer absolut unterhaltsamer britischer Mordgeschichten, die mir im Schnitt immer 4,5 von 5 Punkten wert sind.
Gesamtwertung:
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Dazu gibts noch von BBC Radio, was ich sehr empfehlen kann:
The Mrs Bradley Mysteries: Speedy DeathKriminalhörspiel, GB 1990. Mit: Mary Wimbush, Leslie Philips.Diese Radiodramatisierung des gleichnamigen Kriminalromans von Gladys Mitchell entspricht in groben Zügen der Kurzbeschreibung, die ich zur TV-Episode verfasst habe.
Auch wenn zu Beginn eine ganz ähnliche Zwanzigerjahre-Swing-Musik ertönt, wie man sie auch aus der TV-Serie kennt, so entwickelt sich das Hörspiel „Speedy Death“ doch zu einer etwas anderen Mrs-Bradley-Begegnung: Die Adela Bradley, die dem Zuhörer hier begegnet, pflegt tatsächlich – sie wird selbst von einem der Protagonisten darauf angesprochen – das Auftreten einer Hexe, was durch die Empfehlung eines hauseigenen Hustenheilmittels und ihr ständig eingespieltes rauhes und lautes Lachen unterstrichen wird. Gerade in den Momenten, in denen Mrs Bradleys Gelächter ertönt, merkt man eindeutig, dass man es im Hörspiel und damit auch in den Romanen mit einer noch viel überspitzteren und weit weniger damenhaften Kunstfigur zu tun hat, als dies bei Diana Rigg der Fall war. Der Grund mag dafür liegen, dass „Speedy Death“ Mrs Bradleys erster Fall war, sie erst später geadelt und als Kriminalistin anerkannt wurde, obschon das nicht so naheliegend erscheint wie bei ihrem nonchalanten Alter-Ego Rigg.
Gleichsam fällt ins Gewicht, dass die Geschichte nicht aus ihrer eigenen Sicht, sondern der des Wissenschaftlers Carstairs erzählt wird, der ebenfalls zu den Gästen auf dem Landsitz der Bings gehört und zusammen mit Mrs Bradley Ermittlungen anstellt. Bei der Polizei erweckt er natürlich einen vertrauenswürdigeren Eindruck, weshalb er der erste Ansprechpartner des enthusiastischen, aber nicht sonderlich hellen Beamten mit dem schönen Namen Boring ist. Damit hören die Unterschiede zwischen Buch und Verfilmung aber nicht auf. Ein IMDb-User betont:
The BBC radio adaptations of ‚Speedy Death’ and ‚The Mystery of a Butcher’s Shop’ are faithful to Gladys Mitchell’s books. The TV series is not. [... In ‚Speedy Death’ (TV), the] first half is relatively faithful (although Eleanor is in a wheel chair, and the detective Mr Carstairs has been dropped); the second half is not. Mrs Bradley doesn’t commit the second murder, isn’t arrested and acquitted.
Ein wichtiger Unterschied, der den etwas verschobenen Zeitgeist der Rigg-Verfilmung illustriert, besteht darin, dass die Personen, die die Leiche von Mountjoy finden, im Original nicht sofort verstehen, dass dieser in Wahrheit eine Frau war. Die Entdeckung übersteigt schlichtweg das spontane Fassungsvermögen eines prüden Zwanzigerjahregehirns. Sie gehen zunächst davon aus, dass es sich um eine andere Person handelt, bis Mrs Bradley ihnen das Offensichtliche vor Augen führt.
Als Fazit muss festgehalten werden, dass man mit der radio dramatisation einen besseren Griff getan hat, wenn man sich für eine akkurate Umsetzung des Gladys-Mitchell-Romans interessiert, wohingegen die TV-Adaption mit Diana Rigg den eindeutig höheren Unterhaltungswert aufweist.