Gefühlt lief
Derrick eine Ewigkeit im deutschen Fernsehen, wobei ich mit Schrecken feststellen muss, dass diese "Ewigkeit" jetzt auch schon wieder 27 Jahre her ist.

Jedenfalls frage ich im Freundeskreis des öfteren spaßeshalber, ob heute Abend eigentlich
Derrick oder
Der Alte kommt?
Seit Jahrzehnten ist man es gewöhnt, dass am Freitag im
ZDF ab 20:15 Uhr "gemordet" wird. Den Anfang hatte diese Entwicklung in den 60er Jahren mit dem
Kriminalmuseum, das zuerst an unterschiedlichen Wochentagen und später freitags im ungefähr monatlichen Rhythmus gezeigt wurde. Mitte 1968 schloss das Museum seine Pforte und ab Januar 1969 kam dann mit
Der Kommissar der erste regelmäßige ZDF-Freitagsheld auf den Bildschirm, für den
Herbert Reinecker auch schon die Drehbücher lieferte. Ursprünglich war
Der Kommissar auf 13 Folgen angelegt, aber wegen der großen Beliebtheit ging es dann immer weiter.
Derrick war 1974 als Nachfolgeserie angedacht, aber da die Zuschauer Kommissar Keller noch nicht missen wollten, startete Derrick vorerst am Sonntagabend. Erst nachdem Keller 1976 in den TV-Ruhestand ging, wechselte Derrick auf den Freitagstermin.
Insgesamt habe ich die Serie mit zwei Sternen bewertet, weil sie für mich nicht so der "Burner" ist. Allerdings gab es wie bei manch anderen sehr langlebigen Serien einige Stiländerungen, die sicherlich auch etwas mit dem zunehmenden Alter des Autors Herbert Reinecker zu tun hatten, der zum Zeitpunkt der letzten Folge bereits 84 war.
Im ersten Jahr hatte das Format sehr viel Ähnlichkeit mit
Columbo. Für deutsche Krimi-Gewohnheiten ungewohnt, werden zu Beginn der Folge ausführlich das Verbrechen, der Täter und die Vorgeschichte präsentiert, bis irgendwann
Stephan Derrick und
Harry Klein auftauchen und ermitteln, was der Zuschauer schon weiß, um den Täter schließlich in die Enge zu treiben. Möglicherweise hatte sich Reinecker diese Idee aus den USA besorgt, denn im deutschen Fernsehen ging Columbo erst einige Monate später Anfang 1975 in Serie.
Trotz des großen Gaststar-Aufgebotes in jeder Folge kam die Columbo-Methode bei den Zuschauern nicht besonders gut an und nach etwa einem Jahr switchte Reinecker von
Columbo auf
Kojak, der seit 1974 in der ARD herumwirbelte. So schnappte Derrick für eine Weile nicht mehr wie bis dato ehrbare Bürger, die auf Grund irgendwelcher Psychokrisen zu Mördern wurden, sondern Berufsverbrecher und knallte diesen und seinen Mitarbeitern Sprüche um die Ohren, die auch von dem Glatzkopf aus New York hätten stammen können. Die wildeste dieser "Kojak"-Folgen ist meines Erachtens die Nr. 19
Tote Vögel singen nicht. Erst danach entwickelte die Serie ihren eigen Stil zu gefälligen "Whodunits", angereichert mit einem Schuss Psychologie und mäßiger Action.
Eine schleichende Entwicklung gab es offenbar mit zunehmendem Alter von Autor Herbert Reinecker. Die Folgen konzentrierten sich immer mehr auf das Thema "Gute und edle, manchmal etwas weltfremde Menschen werden von gewissenlosen Schuften in den Abgrund gerissen". Typisch ist z.B. das unschuldige junge musisch begabte Mädchen aus bestem Haus, das einem erfahrenen scheinbar grundsoliden Mann verfällt, der ihre Ahnungslosigkeit eiskalt ausnutzt, um sie drogenabhängig zu machen und / oder zur Prostitution o.ä. zu bringen.

Nach soviel Gemeinheit tauchen schließlich der edle Stephan und der beinahe genauso edle Harry auf, um zu retten, was noch zu retten ist.

Wenn Moral flüssig wäre, hätte man bei diesen Folgen immer einen Eimer unter den Fernseher stellen müssen, wo die Moral unablässig reintropfen konnte. Bei manchen Episoden hätte man den Eimer zwischendurch ausleeren müssen, damit er nicht überläuft ...

Es gibt eine ganze Reihe Episoden, die mir gefallen, aber da es auch sehr viel "Moral" gibt, gebe ich der Serie insgesamt nur zwei Sterne.

Auch einige Jahre nach Beendigung der Serie sonnte sich das ZDF mit Wiederholungen gerne im Licht dieser "Perle", bis bekannt wurde, dass Hauptdarsteller
Horst Tappert eine Vergangenheit in der Waffen-SS hatte. Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr Personen, von denen man das gar nicht weiß, aber dem ZDF war der einstige Publikumsrenner plötzlich genant und seitdem gibt es die Serie nur noch auf Youtube oder DVDs zu sehen.
Einige Jahre später erfuhr man, dass auch Herbert Reinecker in der Propagandakompanie der Waffen-SS gearbeitet hatte. Da man aber Derrick schon mit dem Mantel des Schweigens bedeckt hatte, schlug Reineckers Vergangenheit keine besonderen Wellen mehr.
Insgesamt haben Reineckers Werke einige Wendungen erlebt. Ursprünglich schrieb er actionhaltige bis tumultige Storys. Das Drehbuch zu dem bekannten
Edgar Wallace-Film
Der Hexer mit
Joachim Fuchsberger und
Heinz Drache stammt von einem gewissen
Alex Berg. Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich Herbert Reinecker. Auch als er die immer psychologischer werdenden Kommissar-Folgen schrieb, produzierte er 1973 mit
Jürgen Roland den Abenteuerfilm
Das Mädchen von Hongkong, wiederum mit
"Blacky" Fuchsberger.
Interessant ist es, dass seine letzten Drehbücher so moraltriefend wurden. Psychologen könnten sich Gedanken machen, wie es dazu gekommen ist.

Da mir meine Derrick-Sammlung heute zufällig in die Hände gefallen ist, werde ich ein paar Programmhinweise dazu einstellen. Bis ich alle 281 Folgen eingescannt habe, wird sicherlich einige Zeit vergehen.