Gast
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« am: 23. Februar 2006, 15:12:58 » |
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Ich war 3 Jahre alt.
Da meine Eltern sehr viel arbeiteten, um die kleine Familie durchzubringen, schlief ich wochentags fter mal bei Oma und Opa. Das fand ich toll, da war mir viel erlaubt. Eines Nachts, wohl so nach 21 Uhr, wurde ich aus traumverlorenem Schlaf geweckt. Drei Schsse... dann ein Klang, der mir dster und bedrohlich schien: Ein dramatischer Tusch kndigte etwas offenbar wichtiges und spannendes an. Es war das Intro von "Mit Schirm, Charme und Melone" ... Ich lief zum Wohnzimmer, versteckte mich hinter dem Trrahmen, von wo aus ich einen guten Einblick hatte ... und verfolgte das unglaubliche Geschehen auf dem Schwarz-Wei-Bildschirm meiner Groeltern. Mein Leben sollte in diesen Minuten eine Inspiration erhalten, die mich bis heute begleitet und nie mehr verlassen wird... Emma was here!
Jngere Generationen knnen sich aus mancherlei Grnden keine Vorstellung machen, welchen erdrutschartigen Effekt die Erstausstrahlung von "The avengers" auf deutsche TV-Zuschauer des Jahres 1967 hatte. Das beginnt schon damit, dass man ihnen kaum begreiflich machen kann, dass Fernsehen wegen seiner Neuartigkeit damals noch etwas beflgelndes, fesselndes hatte. Und wir hatten damals noch lngst nicht alle Fantasien zu sehen bekommen, waren lngst nicht so abgebrht. Jede neue Show erffnete uns quasi Fernsehneuland.
"The avengers" war sowas von neuartig! Mit offenem Mund stand ich staunend in meinem Trrahmenversteck und sah Dinge, die es im damaligen deutschen Alltag nicht gab. Frauen, also Muttis, Omis und Petra von nebenan, trugen z.B. entweder Zpfe, hochtoupierte Tollen und dazu Kittelschrzen ber der Kleidung (es gab ja immer was zu wischen usw.). Und da... im Fernsehen... eine Frau... mit offenem Haar! Und sie fhrt Auto, sogar schnell! Sie trgt eine Pistole. Da! Ein Mann bedroht sie, jetzt wird sie sterben! Sicher, denn jeder wei, dass Frauen schwach und Mnner stark sind. Was geschieht denn jetzt? Sie luft nicht weg... im Gegenteil... mit energischem Gesicht geht sie auf den Mann zu... dreht ihm den Arm auf den Rcken.. ein Schlag mit der Handkante. Ihre Frisur leicht zerzaust. Sie bleibt ruhig, lchelt ein unnachahmliches, angedeutetes sffisantes Lcheln. Was hat sie da eigentlich an? Leder? Kann man Leder anziehen?
Die erste Episode, die im deutschen TV gezeigt wurde, war "The cybernauts" (Die Roboter). Ich hatte ganz schn viel Angst vor den Mordmaschinen mit den metallenen Gesichtern ... wie sie da die Tren einschlugen, die Menschen raubten... aber irgendwie wusste ich, die Frau mit dem Lederanzug und dem ernsten Gesicht wird die bsen Roboter besiegen.
Tags darauf war die Serie Tagesgesprch. Die Hausfrauen unterhielten sich auf der Treppe ber Emma Peel. Im Laufe der Ausstrahlung sollte die Serie Einschaltquoten bis zu 72 % erreichen. Bis heute ist sie damit die erfolgreichste Auslandsserie aller Zeiten. Manche sagen dann gerne: "Damals gabs ja nur 2 Programme". Erstens ist das nicht ganz wahr (die meisten Bundesbrger konnten damals schon ein Drittes und ein Nachbarlandsprogramm empfangen) und zweitens existierte schon damals der Aus-Knopf und man hatte somit auch eine Wahl, wenn auch eine kleinere. Zum Vergleich: Die ber den grnen Klee gelobte "Raumpatrouille", die auf vielen Fansites flschlicherweise oft als Mega-Einschaltquotenrenner bezeichnet wird, fuhr in Wirklichkeit fr die ARD enttuschende Ergebnisse bei der Erstausstrahlung ein. An manchen der 7 Samstage (ja, "Orion" wurde, anders als Emma, sogar Samstag-Abends zur besten Sendezeit gezeigt) lag die Zuschauerbeteiligung unter 40 %. ber die Hlfte der Zuschauer wechselten lieber zum ZDF, wenn in der ARD das Science Fiction-Experiment lief. Emmas Ufo's, Geister und Roboter hielten die Deutschen jedoch mehrheitlich bei der Stange. Ein Triumph!
Spter... die Wiederholungen ... und ich erleichtert und beruhigt, dass "Mit Schirm, Charme und Melone" kein idealisiertes Produkt meiner Kinderphantasie war, sondern tatschlich richtig, richtig gut ist. Erst mit zunehmendem Alter wurden mir der sarkastische Humor, das Artwork, die liebevolle Ausstattung, die groartige Schauspielerei bewusst. Emma hatte ber die Jahre also sogar gewonnen. Und noch heute steht die Serie gut da.
Unbewusst hat sie mein gesamtes sthetik-Bewusstsein beeinflusst. Und mich inspiriert, meine Fantasie beflgelt. Meistens ist es ja so, dass ein Film oder eine TV-Produktion, so gut sie auch sein mag, nie an die Vorstellungen herankommt, zu denen man in seiner Fantasie fhig ist. "The avengers" ist einer der ganz seltenen Flle, die meine Fantasie bertreffen. So ein tolles Set-Design, diese stimmigen Charaktere, diese Frauenexotik, diese Britishness htte ich selbst nie so gut ersinnen knnen. Eine uerst kreative und schpferische Leistung. Vor 40 Jahren erbracht, noch heute in meinem Herzen.
Mrs. Peel... Sie werden ganz, ganz dringend gebraucht!
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