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Autor Thema: Die "Straßenfeger" von Francis Durbridge  (Gelesen 1264 mal) Durchschnittliche Bewertung: 3
The Saint
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« am: 16. Dezember 2023, 21:27:30 »

Vor rund 15 Jahren fing man an, unter dem Begriff Straßenfeger alle möglichen Fernsehserien oder Fernsehspiele als DVDs zu vermarkten. Tatsächlich entstand der Begriff durch die mehrteiligen Krimis des Engländers Francis Durbridge, der durch seine Paul Temple-Hörspiele mit Rene Deltgen fast jedem Deutschen schon ein Begriff war. Als es noch nichts zu Streamen gab, versammelten sich ganze Familien im Dunkeln vor dem Radio, wenn es wieder einen der mehrteiligen Krimis gab, deren einzelne Teile immer dann zu Ende waren, wenn es gerade besonders spannend wurde  schiesswütig. Die Idee der Cliffhanger wurde dann Jahrzehnte später so richtig zum Geschäftsmodell von Serienproduktionen.

1959 kam mit Der Andere der erste Durbridge-"Straßenfeger" ins noch einzige ARD-Programm und man wußte damals noch gar nicht, dass es ein Straßenfeger sein würde.  Grinsen Jedenfalls saßen die Zuschauer alle paar Tage vor dem Bildschirm und beschäftigten sich mit der Frage, ob der sympathische Lehrer David Henderson (Albert Lieven) ein ehrbarer Bürger oder ein durchtriebener Verbrecher ist.

Im Laufe der Jahre wurden die Straßenfeger mit einem Hype angekündigt, als wenn es nichts Wichtigeres und Spannenderes gäbe.  Schockiert Tatsächlich kommen die 6 gut halbstündlichen Folgen von Der Andere ziemlich betulich daher, wobei es zum großen "Finale" leidlich spannend wird.

Durbridge Methode bestand darin, die Handlung mit erstmal unerklärlichen Ereignissen anzureichern, die der Held oder die Polizei (und die Zuschauer!) zu klären versuchten. Einige davon wurden im Laufe der Handlung geklärt, andere verschwanden irgendwo im Nirwana und sind bis heute ungeklärt.  Hinterlistig

Auch die meisten Auflösungen finde ich ziemlich enttäuschend. Während man zu Anfang noch über die kompliziertesten Motive nachdenkt, muß man zum Schluß feststellen, dass (wieder mal) eine Spionage- oder große Verbrecherorganisation hinter allem steckt und einer der "braven Bürger" deren Anführer ist.

Beim ersten Fernseh-Durbridge war die Aufregung noch nicht so groß. Bei den Folge-Produktionen gab es oft eine kuriose "öffentliche Wahrnehmung". Der "neue" Durbridge wurde mit großem Tamtam angekündigt, alle saßen vor der Glotze und nach dem letzten Teil begann meist das große Meckern. Zum einen, weil sich mancher durch die oben beschriebenen "Mätzchen" von Durbridge etwas veräppelt fühlte, zum anderen, weil manche gernerell gerne meckern.  laut lachen Im Schnitt ein Jahr später ging das gleiche Spiel wieder von vorne los mit der Ankündigung, dass der "Meister" seinen neuesten Geniestreich präsentieren würde.  laut lachen

Der ganze Zauber hielt sich bis 1971, als unter der Regie von Rolf von Sydow mit Hardy Krüger in Das Messer der letzte Dreiteiler lief. 1977 gab es mit Die Kette noch einen Zweiteiler mit Harald Leipnitz, der der alten Straßenfeger-Tradition noch ein bißchen neues Leben einhauchen wollte.

Spoiler  :
Der lang gesuchte Mörder in diesem Fall war Heinz Klingenberg als Sergeant Broderick. Der Schauspieler starb noch vor der Sendung mit 54 Jahren an einem Autounfall.


« Letzte Änderung: 27. Dezember 2023, 09:05:56 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #1 am: 17. Dezember 2023, 16:04:00 »

1960 kam der zweite Durbridge-Straßenfeger Es ist soweit ins ARD-Programm. Während der erste vom NDR noch recht gemächlich inszeniert worden war und bis auf Albert Lieven nur wenig bekannte Akteure mitspielten, übernahm der WDR die Produktion und Regisseur Hans Quest setzte auf deutlich mehr Spannungseffekte und mit Jürgen Goslar, Eva-Ingeborg Scholz, Peter Pasetti, Siegfried Lowitz und Karl Lieffen wurden viele bekannte und markant spielende Darsteller verpflichtet.

Der Sechsteiler ist zwar recht flott gemacht, zeigt aber neben rätselhaften Ereignisen - die zum Teil ewig rätselhaft bleiben  Grinsen - und überwiegend Spionage- und Gangsterorganisationen als Täter ein weiteres typisches Stilmittel von Durbridge: Endlose Quasseleien  ich werde verrückt. Im Laufe der Handlung kommen immer wieder die gleichen Personen zu Besuch, diskutieren die neuesten Ereignisse und man fragt sich "Wie oft, war der / die eigentlich schon da?"  laut lachen Für eine 1960er Fernsehproduktion ist Es ist soweit meiner Ansicht nach aber recht gut gelungen und Hans Quest führte anschließend noch bei 3 weiteren Durbridge-Verfilmungen die Regie.

Als der Sechsteiler im Jahr 1987 von EinsPlus oder West3 wiederholt wurde, erschien eine junge Frau als Ansagerin, die am Ende erklärte, dass das im Film entführte Mädchen sie selbst gewesen wäre.  zwinkern Inzwischen sind nochmal 36 Jahre vergangen und das "Mädchen" Gaby Jaeger dürfte mittlerweile um die 70 sein.

Spoiler  :
Der Mörder in diesem Krimi war Peter Pasetti als Rechtsanwalt Lawrence Hudson, ein "Freund" der Familie.










« Letzte Änderung: 27. Dezember 2023, 09:11:18 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #2 am: 22. Dezember 2023, 15:22:44 »

Fragt man "Überlebende", welcher von den ganzen Durbridge-Krimis ihnen noch am besten in Erinnerung ist, werden die meisten wahrscheinlich "Das Halstuch" von 1962 antworten. Zum einen ist Heinz Drache als Inspektor Yates dadurch zum "ewigen Kommissar" geworden, zum anderen brachte ein Ereignis um diesen Film die deutsche Nation noch mehr in Aufruhr als das aktuelle "Heizungsgesetz"  Schockiert: Der Kabarettist Wolfgang Neuss hatte sich darüber geärgert, dass an den Durbridge-Abenden Kinos und Theater leer waren und hatte kurz vor Ende der Halstuch-Serie in einer Zeitungsanzeige den Mörder verraten.  Menno-alles blöd

Neben dem Begriff des Straßenfegers entstanden rund um die Durbridge-Verfilmungen noch andere blumige Formulierungen: Sie wurden auch als Reißer bezeichnet und die lange gesuchten Täter waren die Drahtzieher im Hintergrund. Meine erste Begegnung mit dem Halstuch war 1974 und meine Erwartung an den Reißer war entsprechend hoch.  laut lachen Der Sechsteiler wurde auf West 3 im späten Nachmittagsprogramm wiederholt und war für mich trotzdem unerreichbar, weil mein Vater nicht willens war, den teuren Farbfernseher für eine Schwarzweiß-Sendung einzuschalten.  Menno-alles blöd Als der 5. Teil lief, waren meine Eltern nicht zu Hause und ich nutzte die Gunst der Stunde zu unerlaubtem Fernsehen ... und war "konsterniert"  Huch. Statt dramatischer Action ähnlich den deutschen Edgar Wallace Filmen gab es nur Szenen, wo sich Leute unterhielten und dabei rauchten und oft Alkohol und manchmal Tee tranken. Die Atmosphäre war ein bißchen so, als wenn man den Internationalen Frühschoppen mit Werner Höfer eingeschaltet hätte.

Das "Gesamtwerk" incl. letztem Teil mit Drahtzieher-Entlarvung habe ich erst 2001 gesehen und nie so ganz begriffen, was an dem Stück so toll ist. Reizvoll daran finde ich die vielen damals sehr bekannten Schauspieler wie z.B. Heinz Drache, Margot Trooger, Albert Lieven, Hellmut Lange, Dieter Borsche, Eva Pflug oder Horst Tappert. Wie ich inzwischen gelesen habe, wurden viele der Außenaufnahmen quasi in meiner Nachbarschaft, dem nordrhein-westfälischen Düssel gedreht, wo ich des öfteren spazieren gehe. Angeblich sollte der Ort "englische Atmosphäre" widerspiegeln, aber ich glaube, die Filmemacher waren nie in England  zwinkern.

In keinem anderen Durbridge-Krimi ist mir so stark aufgefallen, was damals zum "Lifestyle" und zu guten Umgangsformen gehörte. In fast jeder Szene bietet man sich gegenseitig Zigaretten an, die dann weltmännisch angezündet und geraucht werden, insbesondere Albert Lieven als wohlhabender Geschäftsmann wedelt ständig mit seinem edlen Zigaretten-Etui herum. So ändern sich die Zeiten ...  Grinsen

Immerhin gefällt mir am Halstuch, dass diesmal keine große Gangster- oder Agentenbande hinter den Verbrechen steckt.

Spoiler  :
Der Mörder war diesmal Dieter Borsche als Maler John Hopedean, der seine Rolle sehr wandlungsfähig spielte. Die ganze Zeit wirkt er völlig harmlos, aber als er zum Schluss einem weiteren Opfer an den Kragen will, sind seine Gesichtszüge so böse, dass man ihm lieber nicht im Dunkeln begegegnen würde ...  Huch











Albert Lieven war offenbar ein Vorgänger des Geheimnisvollen Rauchers aus Akte X  Grinsen



« Letzte Änderung: 22. Dezember 2023, 15:32:11 von The Saint » Gespeichert
Dan Tanna Spenser
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« Antworten #3 am: 24. Dezember 2023, 00:30:34 »

Sehr interessante Lektüre Happy Stimmt...diese Reihe fehlte bislang noch Happy
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« Antworten #4 am: 24. Dezember 2023, 12:05:18 »

In einem anderen Forum werden die Durbridge-Mehrteiler wie Kunstwerke diskutiert. Ich finde sie ganz nett und sie sind sicherlich ein wesentlicher Bestandteil der deutschen TV-Geschichte, aber da gibt es andere Serien, die mich deutlich mehr beeindruckt haben. Aber Geschmäcker sind ja verschieden. Außerdem habe ich auch zu meinen "Lieblingen" inzwischen ein distanzierteres Verhältnis. Ich gehe gerne meine Zeitungsausschnitt-Sammlungen durch und schwelge in Erinnerungen, aber ich weiß, dass ich viele Serienfolgen davon mittlerweile etwas banane finde.  Happy
« Letzte Änderung: 24. Dezember 2023, 23:19:46 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #5 am: 24. Dezember 2023, 23:16:22 »

1963 zeigte die ARD mit Tim Frazer den vierten Straßenfeger aus Durbridge' Feder, dessen Titel nach dem Halstuch wohl am zweitbesten in Erinnerung geblieben ist. Allerdings gab es im Folgejahr mit Tim Frazer - Der Fall Salinger noch einen zweiten Auftritt.

Tim Frazer ist wieder eine für Durbridge typische Spionagegeschichte mit vielen guten Schauspielern. Etwas sonderbar finde ich immer, wie viele scheinbar brave Bürger sich bei Durbridge plötzlich als heimtückische Spione entpuppen. Vielleicht sollte ich mir mal meine Nachbarn etwas genauer ansehen ...  laut lachen

Ganz ungewöhnlich finde ich die Art, wie Hauptdarsteller Max Eckard Tim Frazer spielt. Eckard war vielfach Charakterdarsteller am Theater, ist als Frazer aber kein markanter Typ, sondern wirkt wie ein braver Musterschüler, der von seinem Lehrer eine wichtige Aufgabe erhalten hat, die er stolz und mit nahezu ständig guter Laune ausführt. Dabei strahlt er oft noch wie ein Honigkuchenpferd. Jedenfalls fällt mir kein Krimiheld ein, der ihm irgendwie ähnlich wäre.  zwinkern

Insgesamt finde ich diesen Straßenfeger ganz unterhaltsam mit den üblichen Durbridge-Zutaten, wie rätselhaften Ereignissen oder Gegenständen, um die die Handlung kreist, hier z.B. der Hillman Minx, ein Fahrzeug, das man Frazer zu einem viel zu hohen Preis unbedingt abkaufen will, oder das Segelschiff Northstar, als Modell und Gemälde. Auch gibt es wie in vielen Durbridge-Krimis einen geheimnisvollen Namen, der durch die Handlung geistert. Hier ist es der Name Anja, der mehrere Bedeutungen haben kann.

Jedenfalls saßen fast alle Deutschen wieder an sechs Abenden vor dem Fernseher.

Spoiler  :
Der Mörder war diesmal Ernst Fritz Fürbringer als vermeintlich braver Modellbauer Donald Edwards.






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« Antworten #6 am: 25. Dezember 2023, 00:22:00 »

Eine angenehme Nebenwirkung hatten die Durbridge-Straßenfeger auf jeden Fall. Sie liefen überwiegend in den ersten Januar-Tagen, so auch der fünfte Mehrteiler Tim Frazer - Der Fall Salinger. Nachdem man es sich über die Weihnachtstage und Silvester gutgehen ließ, wartete im Januar das neue Arbeitsjahr 1964 und das dann naturgemäß auch bei Dunkelheit und miesem Wetter. Da war die sich meist über anderthalb Wochen hinziehende Mördersuche eine angenehme Abwechslung.  zwinkern

Max Eckhard spielt Tim Frazer erneut in seiner etwas ungewöhnlich gut gelaunten und aufgeräumten Art  Happy und auch die üblichen Handlungsbestandteile fehlen nicht. Diesmal dreht sich alles um ein merkwürdiges Metronom und hinter dem immer wieder fallenden Namen Ericson verbirgt sich der große Unbekannte, bzw. der Drahtzieher. Wieder steckt hinter allem eine Verbrecherorganisation, ausnahmsweise mal keine Spione, sondern "nur" simple Diamantenschmuggler.

Nach der Ausstrahlung gab es "Knatsch". Insbesondere die Presse nöhlte, dass der Film in unnötig viele kleine Teile zerhäxelt worden wäre, der erste Teil ist beispielsweise nur knapp 23 Minuten lang. Auch einige Politiker fühlten sich bemüßigt, in die Diskussion einzugreifen (nach dem glücklichen Ausgang der Cuba-Krise Ende 1962 gab es offenbar keine wichtigeren Themen mehr  ich werde verrückt). "Altmeister" Durbridge bestand aber vorerst weiterhin auf seinem 6-Teiler-Konzept. Allerdings führte das "beherzte" Eingreifen von Presse und Politik dazu, dass ab dem nächsten Jahr nur noch Dreiteiler produziert wurden und erstaunlicherweise ging die Welt dadurch auch nicht unter.  Grinsen

Spoiler  :
Der Fall Salinger ist der einzige der Straßenfeger, in dem am Ende eine Frau als Drahtzieherin entlarvt wird und dann auch noch die sympathische Barbara Day  Huch, gespielt von Ingrid Ernest. Dabei sah es so aus, als wenn Tim Frazer mit ihr gerne mal ... aber dafür war er natürlich zu gut erzogen.  Grinsen























« Letzte Änderung: 25. Dezember 2023, 00:27:37 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #7 am: 25. Dezember 2023, 17:12:06 »

Im Januar 1965 lief mit Die Schlüssel schon der sechste Straßenfeger, von jetzt an nur noch als Dreiteiler. Harald Leipnitz als Fotograf Eric Martin gefällt mir wieder deutlich besser als der Gutmensch Tim Frazer. Insgesamt hat dieser Durbridge mehr Tempo und Spannung als die vorhergehenden, es macht Spaß zuzusehen ... wenn er nicht ein aus meiner Sicht dramaturgisch ziemlich vermurkstes Ende hätte.

Normalerweise entwickeln sich die Durbridge-Krimis hin zu einem spannenden und dramatischen Finale, bei dem der große Bösewicht im Hintergrund mit großem Tamtam entlarvt und gefangen wird. In diesem Krimi kommt es zum Schluß auch zu einer wilden Auseinandersetzung, allerdings unter zwei Gangstern, die sich um ihre Beute streiten. Als Zuschauer fiebert man mit dem Helden mit. Wer von den beiden Schurken siegt, interessiert emotional wenig und dann wird auch noch der lang gesuchte Drahtzieher beim Versuch, das Land per Schiff zu verlassen, von der schon wartenden Polizei sang- und klanglos aufgefordert, mit zum Revier zu kommen. Da braucht man als Regisseur schon viel Phantasie, um sich so ein schnarchiges Ende auszudenken.  laut lachen

Auch die Erklärung der vielen rätselhaften Ereignisse ist wenig spektakulär. Der ganze Verwicklungsaufwand wurde nur betrieben, weil ein paar Bankräuber sich um ihre Beute streiten.

Insgesamt ist dieser Krimi wie ein schmackhaftes Menü in einem guten Restaurant, bei dem die Bedienung einem kurz vor Schluss noch ein volles Glas Rotwein über den Anzug schüttet ...  ich werde verrückt

Spoiler  :
Der Drahtzieher im Hintergrund war Friedrich Joloff als Hotel-Geschäftsführer Douglas Talbot. Joloff hatte ein besonderes Talent, hintergründige Schurken mit guten Manieren darzustellen.  Geniale/r Film/Serie








« Letzte Änderung: 27. Dezember 2023, 09:22:00 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #8 am: 25. Dezember 2023, 19:56:50 »

Als siebter Straßenfeger lief im Januar 1966 Melissa mit Günther Stoll, bei dem sich Regisseur Paul May wie schon beim Vorgänger Die Schlüssel als "Meister des unspektakulären Endes" präsentiert.

Neben dem Halstuch und Tim Frazer ist Melissa der dritte Straßenfeger im Bunde gewesen, der sich im Erinnerungsvermögen der Zuschauer regelrecht eingebrannt hat. Wenn später in der Presse über Ruth Maria Kubitschek berichtet wurde, wurde sie fast immer auch mit ihrem "Beinamen" Melissa erwähnt, als wenn sie in dem Film eine Riesenrolle gehabt hätte. Dabei segnet sie schon zu Beginn das Zeitliche und nur ihr Name geistert bis zum Ende durch den Krimi. Auch ein älterer Kollege von mir bekam noch Jahrzehnte später leuchtende Augen und schwärmte "Melissa, ja, das waren noch Krimis ...". laut lachen

Meine Erinnerungen an diesen Straßenfeger sind etwas weniger verklärt. Ich habe ihn zum ersten Mal 1977 gesehen, als er auf West 3 wiederholt wurde. Damals war ich noch ziemlich Durbridge-unerfahren. Ich hatte ja mal den 5. Halstuch-Teil gesehen und festgestellt, dass die Reißer zumindest nicht wie deutsche Edgar Wallace Krimis waren. Als ich den ersten Melissa-Teil gesehen hatte, dachte ich, dass es vielleicht wie bei Agatha Christie sein könnte, wo man am Ende meist zwar völlig überrascht ist, aber sich eingestehen muss, dass man auf die Lösung hätte kommen können, wenn man genug Nachdenkenergie und Phantasie entwickelt hätte. Ich kann mich noch erinnern, dass ich zwei Wochen lang in der Religionsstunde den Lehrer konzentriert angesehen, aber in Wirklichkeit die verschiedensten Überlegungen gewälzt hatte, wer der Mörder bei Melissa sein könnte und warum.  Unentschlossen  Diesmal waren es keine Agenten oder Gangster, aber ein hochprofessioneller Erpresser, auf den und sein Motiv es vorher keinerlei Hinweise gab und ich mir die ganze Überlegerei hätte knicken können. Aber dann hätte ich im Religions-Unterricht zuhören müssen ...

Der Schluss des Straßenfegers ist dann an Dramatik auch kaum zu unterbieten. Ein einzelner Schuss und der Täter ist mit einer kleinen Verletzung außer Gefecht gesetzt. Anschließend etwas pseudo-philosophisches Blabla zwischen dem bisherigen Hauptverdächtigen Guy Foster (Günther Stoll) und Inspektor Cameron (Sigfried Wischnewski): "Inspektor, ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie haben weit mehr getan, als Ihre Dienstvorschriften zulassen." "Wissen Sie, Guy, Dienstvorschriften ... was heißt das in unserem Fall? Ich hätte meine Nerven geschont und würde vielleicht ein bißchen länger leben, aber Sie erheblich kürzer."  ich werde verrückt Dann hört man zwei Schüsse, ein Polizist kommt Sekunden später seelenruhig mit der Waffe in der Hand herein und  sagt: "Fluchtversuch." "Ist er ...?" "Ja, Sir. Es ließ sich nicht vermeiden."  ich werde verrückt Hätte ich den Schluss des Films in meinem Wohnzimmer gedreht, hätte ich bestimmt mehr Spannung erzeugen können.  laut lachen

Irgendwann hatte ich beschlossen, alle Durbridge-Mehrteiler zu archivieren, aber auf diesen habe ich verzichtet. In einem anderen Forum habe ich als Bewertung gelesen "Ein intelligenter und hochspannender Durbridge-Dreiteiler!" So unterschiedlich sind die Meinungen  zwinkern

Spoiler  :
Der böse Erpresser war Hubert Suschka als Felix Hepburn. In Sonderdezernat K1 spielte er später den Kriminalbeamten Kurt Diekmann. Ansonsten konnte er perfekt gefährliche und unangenehme Typen darstellen.  Geniale/r Film/Serie









« Letzte Änderung: 25. Dezember 2023, 23:55:18 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #9 am: 25. Dezember 2023, 21:59:24 »

Der erste Durbridge, von dem ich in meinem jungen Leben Kenntnis genommen hatte, war die Nr. 8 Ein Mann namens Harry Brent im Januar 1968. Normalerweise kam jedes Jahr ein neuer Durbridge, aber 1967 fiel er aus und auch 1969 war noch einmal Pause.

Die HörZu schrieb damals: "Was ein echter Durbridge ist, der läßt's beizeiten knallen. Der Thriller-Experte liefert schon nach sechs Minuten eine Leiche. Und sie ist garantiert nicht die letzte. Nervenkitzel! In drei Raten! In dieser Woche wird "gedurbridged"!" Mir war beim Lesen sofort klar, dass das etwas ganz Außerordentliches sein mußte, aber mit 8 Jahren war ich noch zu jung dafür und musste mich auf die Bilder in der Zeitung beschränken. Erst 2006 konnte ich Harry Brent erstmals am Stück sehen.

Bei Durbridge-Fans kommt diese Verfilmung wohl nicht so gut weg. Da ich meistens anderer Meinung bin, gefällt sie mir ganz gut.  zwinkern Sie ist recht kurzweilig, nicht so kammerspielartig wie viele der früheren Straßenfeger, ist zum Teil in England gedreht worden und hat auch wieder ein actionhaltiges Finale. Außerdem spielt Günther Ungeheuer die Titelrolle, der immer so wunderbar zwielichtige Typen darstellen konnte.

Die Story ist wie häufig bei Durbridge der übliche Spionage-Hokuspokus. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wieviele im sozialen Umfeld der Hauptpersonen plötzlich dunkle Geheimnisse oder doppelte Identitäten haben.  laut lachen  Wenn ich einen Bruder hätte, wäre der bei Durbridge wahrscheinlich der heimliche Geliebte der Frau meines Chefs, der in seiner Firma die Entwicklung hochexplosiver Eierbecher vorantreibt. Mein Nachbar, mit dem ich mich immer über Geranienzucht unterhalte, ist in Wirklichkeit ein ausländischer Spion, der von dem Verhältnis meines Bruders weiß und das Liebespaar erpreßt, um an die Konstruktionspläne der Eierbecher zu kommen.

Rätselhafte Ereignisse, die die ohnehin verwickelte Ausgangslage noch  komplizierter machen, sind, dass der Supermarkt-Lieferant unerklärlicherweise statt des bestellten Schokoladen-Eises Pfirsich-Maracuja gebracht hat und eine weitere Nachbarin von gegenüber trotz schönstem Sonnenschein mit einem blau-rosa gestreiften Regenschirm losgezogen ist, bevor sie durch einen bei Rot über die Ampel rasenden LKW vermutlich vorsätzlich überfahren wird. Dass die Nachbarin in Wirklichkeit für den Geheimdienst gearbeitet hat und meinen bereits als Spion in Verdacht geratenen Nachbarn beobachten sollte, versteht sich ja von selbst.  zwinkern

Und am Ende der Geschichte werde ich dann selber verhaftet, weil ich mir so einen Blödsinn ausgedacht habe ...  laut lachen

Naja, Durbridge ist halt kein Tatsachenbericht, sondern Entertainment.  zwinkern

Spoiler  :
Den Oberschurken spielt Gert Haucke als Supermarktbesitzer William Brother. Er gibt sich leutselig-schleimig, aber aus anderen Rollen weiß man, dass er es oft faustdick hinter den Ohren hat.  Grinsen








« Letzte Änderung: 27. Dezember 2023, 09:32:07 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #10 am: 25. Dezember 2023, 22:36:15 »

Sehr schon....muß mich damit auch mal näher mit beschäftigen.... danke für die Inspiration!
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« Antworten #11 am: 25. Dezember 2023, 23:10:39 »

Melissa kann ich dir empfehlen, wenn du mal nicht einschlafen kannst ...  zwinkern

Als nächstes schreibe ich über Wie ein Blitz, der meiner Ansicht nach mit Abstand besten Durbridge-Verfilmung.   Geniale/r Film/Serie
« Letzte Änderung: 27. Dezember 2023, 23:18:48 von The Saint » Gespeichert
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« Antworten #12 am: 27. Dezember 2023, 04:09:23 »

OK - danke Happy

Bin schon auf deine weiteren Ergüsse gespannt Happy
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« Antworten #13 am: 27. Dezember 2023, 11:04:49 »

Der neunte Straßenfeger Wie ein Blitz von 1970 ist mir aus mehreren Gründen in besonderer Erinnerung. Er war der erste, den ich gesehen habe und auch den letzten Teil am Sonntag, obwohl am nächsten Tag "Schule" war. Außerdem gefällt mir dieser Durbridge auch heute noch von allen am besten. Regie führte erstmals Rolf von Sydow, ebenso wie bei den beiden letzten Durbridge-Mehrteilern Das Messer und Die Kette.

Insbesondere im ersten Teil gibt es zwar wieder viele Durbridge-typische etwas langatmige Quassel-Szenen, die aber durch die interessanten Charaktere und intensiv spielenden Darsteller kompensiert werden. Am besten gefällt mir Peter Eschberg als schmieriger Liebhaber.  Grinsen Ungefähr zur gleichen Zeit lief die Kommissar-Folge In letzter Minute, in der er einen ähnlich "sympathischen" Typen spielte. Trotzdem (oder gerade deswegen?) erhielt er nach den beiden Sendungen körbeweise Liebesbriefe.  laut lachen

Oft spielen bei Durbridge die Polizeivertreter nur die "zweite Geige" und sind eher bieder bis unscheinbar angelegt. Auch der nicht so besonders groß gewachsene Horst Bollmann als Inspector Clay wirkt nicht gerade wie James Bond, hat aber eine quirlige und im entscheidenden Moment zupackende Art und wie er im großen Showdown den Drahtzieher zur Strecke bringt, finde ich echt klasse.  Freuen

Ebenso gut spielen Ingmar Zeisberg als zunehmend hysterisch werdende Gattenmörderin, Karl Heinz Vosgerau mit seiner markanten Stimme als undurchsichtiger Snob, der vom Geld seiner Frau lebt, sowie Albert Lieven (in seiner vierten Durbridge Rolle!), Paul Hubschmid, Eva Pflug, Gisela Trowe und Christine Kaufmann.

Als eindrucksvoll und "schrecklich" habe ich bei Wie ein Blitz den ersten Mord in Erinnerung, bei dem sich das Opfer die Hände vors Gesicht presst und Blut zwischen den Fingern hervorquillt. Diese Szene wurde auch bei den Rückblenden zu Anfang der anderen Teile immer wieder gezeigt.  Schockiert

Stimmungsvoll sind auch die vielen Außenaufnahmen, die alle in England gedreht wurden, womit beim Vorgänger Ein Mann namens Harry Brent zum Teil schon begonnen wurde. Darüber hinaus war dies der erste Straßenfeger in Farbe, wobei auch die Schwarzweiß-Krimis ihre eigene Atmosphäre haben. Außerdem gefällt mir die Musik von Sam Spence sehr gut. Als weiteren Pluspunkt sehe ich es an, dass wie beim Halstuch keine Gangster- oder Agentenbande hinter den Untaten steckt.

Wie ein Blitz finde ich rundum gut gelungen. Bei vielen Durbridge-Krimis hatte ich das Erlebnis, dass ich mich über die ganzen Teile intensiv mit der Frage beschäftigt hatte, wer denn nun der große Unbekannte ist. Wenn er zum Schluss entlarvt war, stellte sich bei mir meist eine Art Ernüchterung ein. Ich wusste jetzt, wer der Täter war ... und nun? Bei Wie ein Blitz wird das große Finale über einen längeren Zeitraum immer intensiver werdend aufgebaut, bis sich die Spannung beim Schluss-Duell entlädt, bei dem der Bösewicht quasi bis zum letzten Atemzug kämpft. Das emotionale i-Tüpfelchen ist dann die letzte Szene, in der der siegreiche  "kleine" Inspector Clay zu der Abspann-Musik von Sam Spence in der Luxus-Karosse des Mörders davonbraust. Als Zuschauer kann man danach mit sich und der Welt zufrieden und entspannt zu Bett gehen.  zwinkern Geniale/r Film/Serie

Spoiler  :
Der Drahtzieher war diesmal Paul Hubschmid als Ned Parker.









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« Antworten #14 am: 27. Dezember 2023, 16:51:02 »

Mit Das Messer lief Ende 1971 der zehnte und vorerst letzte Straßenfeger. Ursprünglich war dies eine Story mit Tim Frazer, aber da man diese Figur aus den beiden Mehrteilern aus der ersten Hälfte der 60er Jahre offenbar nicht wieder aufleben lassen wollte, wurde aus Tim Frazer nun Jim Ellis vom Geheimdienst und man ahnt es schon: Dies ist wieder eine von Durbridge' Spionagestorys.  zwinkern

Auf den ersten Blick scheint vieles wie bei dem sehr gut gelungenen Vorgänger Wie ein Blitz zu sein: Der Regisseur ist Rolf von Sydow, die Außenaufnahmen wurden in England gedreht und es gibt wieder eine große Garde bekannter und guter Schauspieler. Allen voran Hardy Krüger, der Jim Ellis etwas spröde und eigenwillig und damit deutlich interessanter als Tim Frazer darstellt. Ins Auge fällt auch Eva Renzi als kess-provokante Journalistin Julie Andrew. Weitere bekannte Namen sind Charles Regnier, Alexander Kerst, Rene Deltgen (der Sprecher in den Paul Temple-Hörfunkserien), Hans Jürgen Diedrich als wortkarger Hausmeister (ansonsten Kaberettist und in eher komischen Rollen zu sehen), Klaus Löwitsch, Sonja Ziemann, Peter Mosbacher, Herbert Fux, Heinz Schubert (ungewöhnlich zahm im Vergleich zu seiner Ekel Alfred-Rolle  Happy) und diverse andere.

Trotzdem hat es bei mir bei diesem Krimi nicht so richtig gefunkt. Keiner der vorkommenden Charaktere wirkt auf mich irgendwie empathisch, so dass ich das Bedürfnis hätte, ihn näher kennenzulernen. Bei der Erstausstrahlung durfte ich nur den samstags gesendeten letzten Teil sehen. Ich fand ihn damals ganz nett, hatte aber Probleme, erst hier in die Handlung einzusteigen. Erst 2001 habe ich alle 3 Teile am Stück gesehen, war aber auch wieder nicht sonderlich beeindruckt. Die ursprünglichen Inhaltsangaben zu den ersten beiden Teilen klangen recht vielversprechend, die Handlung plätschert aber ziemlich ereignislos dahin. Außerdem fand ich bei der Wiederholung den dritten Teil am mäßigsten. Es gibt zwar auch wieder ein großes Finale, aber irgendwie interessierte es mich nicht mehr, wer von den ganzen überwiegend unsympathischen Charakteren nun der große Spion im Hintergrund war.

Die Musik stammt von The Can und war für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich und modern. Die Titelmelodie gilt als etwas Besonderes, passt aber meiner Meinung nach gar nicht zu der Atmosphäre des Films.

Jedenfalls waren die Straßen bei diesem Dreiteiler nicht mehr ganz so sauber und leer gefegt wie in früheren Zeiten und bis 1977 war danach erstmal Schluß mit Durbridge.

Spoiler  :
Der Mörder war diesmal Peter Mosbacher als Dr. Hall und welch Überraschung, er arbeitete für einen feindlichen Geheimdienst.  Hinterlistig








« Letzte Änderung: 27. Dezember 2023, 16:56:20 von The Saint » Gespeichert
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