Libuda
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« Antworten #2 am: 17. Dezember 2005, 10:28:09 » |
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Starportrait: Cary Grant Der Wizard von Hollywood
Ein kleines Standbild in Bristol, eine groe Retrospektive in London - Ehrungen fr Cary Grant
Die Stadtvter von Bristol, seinem Geburtsort, in dem bisher nur eine Tafel am Haus 15 Hughenden Road vermerkt, dass hier Archibald Alec Leach, better known as Cary Grant, am 18. Januar 1904 zur Welt kam, plant, ihm eine Statue zu errichten. Kein Leichtes fr einen Bildhauer, an einen Schauspieler zu erinnern, dessen ganze Kunst Bewegung ist. Er htte sicher seine Einwnde gehabt - aus Furcht vor Fixierung. Inzwischen bereitet das National Film Theatre in London mit einer Retrospektive der wichtigsten seiner 72 Filme auf das Ereignis vor.
In seinem Leben gibt es Punkte, die bis heute nicht geklrt sind. Was es mit seiner jdischen Herkunft auf sich hat. In frhen Biografien wird Lilian als Vorname seiner Mutter angegeben. In einer seiner betrchtlichen Spenden fr jdische Komitees heit es ausdrcklich, sie gelte dem Angedenken an seine tote Mutter. Es gibt aber auch gewichtige Stimmen, die dem widersprechen. Clifford Odets, dem er eine Zeitlang nahe stand - my mysterious friend - und mit dem er "None But the Lonely Heart" drehte, beruft sich auf eine vertrauliche Mitteilung des Gegenteils. Er war beschnitten, fr einen um die Jahrhundertwende geborenen Englnder ungewhnlich. Die Frau, die fr seine Mutter galt, hie Elsie. Er hielt sie, wie man ihm gesagt hatte, fr tot; in Wahrheit hatte sein Vater, der mit einer anderen Frau lebte, sie in ein Irrenhaus gesteckt. Sechsjhrig wurde er von ihm in einer Vaudeville-Truppe untergebracht. Mit ihr kam er 1915 zum ersten Mal nach Amerika. Seine Schulzeit, der Rckkehr nach England folgend, war kurz; wegen eines vermeintlichen Diebstahls, hinter dem vielleicht ein anderes Delikt steckte, wurde er von der Schule verwiesen. 1916 ging er fr immer nach Amerika, wo er mit seiner englischen Truppe durch die Variet-Theater zog, als Stelzenakrobat. Jesse L. Lasky, der ihn als Kind im Berliner Wintergarten gesehen hatte, war ihm behilflich beim Beginn seiner Filmkarriere in Hollywood. Dort wohnte er zunchst lange Zeit mit Randolph Scott zusammen. Kaum zu glauben: Grant, dieses Idol von Millionen Frauen, war bisexuell in den grozgigen Dreiigern nicht so ein Problem. Manche seiner Interpreten sehen hier den Ursprung seines besonderen Talents und seiner Unstetigkeit. Hauptschlich die Frauen fnfmal war er verheiratet haben unter seiner Duplizitt gelitten. Selbst seine geliebte Tochter Jennifer, aus der vierten Ehe, hatte zunchst Probleme mit der Veranlagung ihres Vaters.
Seine Regisseure, fr deren Filme er in unserer Erinnerung weiterlebt, haben seine Disposition auf verschiedene Weise zum Kern ihrer Erfindung gemacht. Mit Howard Hawks drehte er fnf, der sechste ging an Rock Hudson, weil Grant nicht wollte. Hawks zieht in seiner Kritik an Amerika komische Effekte bevorzugt aus dem Tausch konventioneller Rollen und aus der Leichtigkeit, mit der Grant in Frauenkleider schlpft. Der Zuschauer braucht Details aus dem Privatleben nicht zu wissen, um sich die Faszination zu erklren - die Vibration ist da.
Hitchcock hat in vier Filmen mit Grant sich dessen Doppelleben zunutze gemacht wie auch die Tatsache, dass Grant whrend des Zweiten Weltkrieges fr den britischen Geheimdienst arbeitete. "Suspicion" und "To Catch a Thief" spielen mit seinem nicht astreinen Vorleben; "Notorious" und "North by Northwest" leben davon, welche Art von Schauspielerei im realen Leben gefragt ist. Beide, Hawks und Hitchcock, setzen Grants akrobratische Fhigkeiten ein.
Sein Lieblingsfilm, antwortete er einem Interviewer, war "The Philadelphia Story" von George Cukor, mit dem er noch zwei weitere machte - "A Star is Born", fr ihn geschrieben, lehnte er ab. In den Fnfzigern filmte er mit Deborah Kerr erneut unter Leo McCarey, mit dem er in den Dreiigern, wie es heit, mit "The Awful Truth" die American Comedy auslste. Dessen Fortsetzung ist "His Girl Friday" von Howard Hawks. So sieht es der Philosophieprofessor Stanley Cavell, der in McCareys Film seine These von der American Comedy als Komdie der Wiederverheiratung besttigt sieht. In ihm spielen Irene Dunne und Grant ein Paar, das sich trennt und wieder zusammenkommt. Dass Renoir McCarey fr einen der Grten von Hollywood hlt, ist weniger von Bedeutung, als dass er der Regisseur von Laurel und Hardy und den Marx Brothers war, was Grants Komik als aus der amerikanischen Burleske weiterentwickelt erkennen lsst. "An Affair to Remember", das Melo mit Deborah Kerr, ist McCareys Remake - das Wort und die Sache sind vom Film ins Leben gerufen - eines Stummfilms.
Mae West - zwei Filme in den dreiiger Jahren - war keine Partnerin fr ihn; ihre Sex-Aggressionen passten nicht zusammen. Auch der mittlere aus der Marlene-Dietrich-Serie von Josef von Sternberg ging auf ihn nicht ein; Playboy allein gengt ihm nicht. "Arsenic and Old Lace" von Frank Capra war zwar ein Erfolg beim Publikum, aber im Vordergrund stand, mehr als Grants Undurchschaubarkeit, die Britishness des Genres, der Kriminalkomdie.
Filme von Mankiewicz, Richard Brooks, Blake Edwards und Delbert Mann zeigen jeder auf seine Weise, wie schwer es fr ihn war, nach dem Krieg seinem Talent entgegenkommende Sujets zu finden. In drei Filmen versuchte Stanley Donen, mit ihm die amerikanische Komdie wieder zu beleben. Grant bemerkte nicht ohne Bitterkeit: Kein Mensch interessiert sich heute fr Komdie. Und Hawks, gelassener: Der Publikumsgeschmack ndert sich. Die Irrealitt, die seiner Meinung nach zur Komdie gehrt, war nicht mehr gefragt.
Mit sechzig verabschiedete sich Cary Grant vom Film - damit er, wie er in seinen besten Filmen war und aussah, dem Publikum im Gedchtnis bliebe. Seine Komik, seine Gesten, sein Timing kommen vom Vaudeville, von der Music-Hall. Das Aufkommen des Tonfilms, der so manchem Stummfilmstar zur unberwindlichen Barriere wurde, war fr ihn kein Problem, weil seine Gesten der Sprache verbunden sind. Bei ihm ist Sprechen Teil der Bewegung.Es zeugt von Hawks Kinoverstndnis, wie er in "His Girl Friday" aus Rosalind Russells und Cary Grants schnellem Sprechen Action macht; damit man wahrnimmt, was Stilisierung im Hollywoodkino ist, dient Pomadigkeit als Folie, dafr nahm er den New Yorker Bhnendarsteller Ralph Bellamy her. Nicht nur wird die Sprache dadurch Action - funktionales Verhalten, Folgerichtigkeit wird durch Spiel in Verlegenheit gebracht.
Das dicke O in der Mitte der Namensabkrzung auf seinem Zndholzmppchen in "North by Northwest", nach dessen Bedeutung Eva Marie Saint ihn fragt, stehe fr nichts. Eine Leerstelle - das bringt Grant jedesmal einen Lacher. Der Zuschauer denkt nicht daran, aber sie sind da, die Gemeinsamkeiten zwischen Werbefachleuten, Geheimdienstlern und Filmschauspielern. Die Realitt, mit der Cary Grant seine Rollen ausfllt, legt Zeugnis davon ab, wie das Kino beschaffen ist.
FRIEDA GRAFE
aus: Sddeutsche Zeitung, 11. Oktober 2001
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