Der zweite Straßenfeger
Babeck begann
1968 direkt nach dem 2. Weihnachtstag. Der Weihnachtsmann kam mit einem Sack voller Geschenke,
Herbert Reinecker mit einem Riesen-Koffer voller Leichen.
Während ich von
Der Tod läuft hinterher nur gelesen hatte, konnte ich mit gerade mal 9 Jahren
Babeck live sehen. Einerseits war ich rattendoll auf Krimis, aber als zu Anfang des zweiten Teils Marianne Hohmann aus einer Telefonzelle entführt wurde, war das zuviel für meine Nerven und ich habe freiwillig das Wohnzimmer verlassen.
Der erste Teil
Ein Sarg aus Genua ist für meinen Geschmack etwas langatmig geraten, bis endlich
Helmut Lohner als Journalist
Manfred Krupka auftaucht, um seinen verschwundenen Vater zu suchen. Allerdings hat die Szene, in der
Walter Richter als argloser Scherenschleifer und Vater Krupka von
Helmut Käutner als Arzt mit dunkler Nazi-Vergangenheit mit gut erhaltener Kleidung versorgt und dann noch zu einem leckeren Essen eingeladen wird, bei dem er vergiftet wird, etwas extrem Hinterhältiges und man ahnt schon, dass Babeck ein ganz besonders Böser sein muß. Eindrucksvoll ist auch die Szene, als Manfred Krupka im strömenden Regen die Leiche seines Vaters in einem Fischernetz auf dem Grund des Starnberger Sees entdeckt.
Wie in
Der Tod läuft hinterher werden auch hier viele Personen Opfer ihrer Geldgier.
Siegfried Lowitz als Weingarten und Onkel von
Marianne Hohmann, deren Vater angeblich im Hafen von Genua ertrunken sein soll, hat sich an ein angenehmes Leben durch Geld für kleine Gefälligkeiten gewöhnt. Als Babeck von ihm einen Mord verlangt, verliert er die Nerven und kurz darauf sein Leben.
Auch
Wolfgang Völz als Barkeeper Fasold glaubt im zweiten Teil
Das Geheimnis der Calasetta das große Los gezogen zu haben, kommt dann aber zwischen die Räder der Verbrecher-Organisation.
Cordula Trantow spielt ihre Rolle als Marianne Hohmann und Krupka-Begleiterin ähnlich wie
Marianne Koch im Vorgänger eher unprätentiös. Irgendwo habe ich gelesen, dass man sie ursprünglich deutlich damenhafter und selbstbewußter auftretend haben wollte, aber Trantow hatte durchgesetzt, ihren Charakter bodenständiger darstellen und als Kontrast zu dem monströsen Verbrecher Babeck gestalten zu können.
Eine besondere Spannungsszene im 2. Teil ist die wilde Jagd durch die Riesen-Baustelle, die seinerzeit durch den U-Bahn-Bau in München möglich war. Der Schauplatz wurde im nächsten Jahr auch noch mal für die
Der Kommissar-Folge
Schrei vor dem Fenster genutzt.
Gut gefällt mir auch der Auftritt von
Senta Berger als Barbesitzerin Susanne Stefan und ihre Performance des Songs
Vergiß mich, wenn du kannst.
Der spätere
Seewolf Raimund Harmstorf spielt die Rolle der rechten Hand von
Friedrich Joloff, der wieder mal auf seine einzigartige Weise einen zwielichtigen Geschäftsmann darstellt, der Manfred Krupka einige Male rettet, aber wie in
Der Tod läuft hinterher seine eigenen selbstsüchtigen Ziele verfolgt. Es gibt viele Motive, die sich bei Reinecker immer wiederholen.
Auch
Paul Albert Krumm sehe ich gerne, der oft zwielichtige, nervöse und psychisch labile Typen spielte und hier als Hiebler, einer von Babecks Handlangern, auftritt.
Im dritten Teil
Tödliche Geschäfte kristallisiert sich allmählich heraus, was hinter den ganzen Verbrechen steckt. Herausragend finde ich
Curd Jürgens als
Mann im Rollstuhl und
Charles Regnier als
Kaminsky. Vieles deutet darauf hin, dass der Mann im Rollstuhl Babeck ist. Selbstgefällig schwadroniert er gegenüber Krupka von seiner Weltanschauung: „Hier gelten die Maßstäbe, die ich setze. Das ist der höchste Luxus, junger Mann, Maßstäbe setzen für andere.“
Auch Charles Regnier kann wunderbar gebildete Männer spielen, die scheinbar kultiviert und umgänglich, aber gleichzeitig sehr überheblich sind. Es ist ein gut gemachtes Finale, wie Manfred Krupka die Geschäftemacher um Babeck in die Enge treibt und zum Nachdenken zwingt, wie sie sich vielleicht doch noch retten können ...
Hier zeigt sich schon ein für Reinecker typisches Handlungsmotiv, das sich bei
Der Kommissar immer weiter fortgesetzt hat und insbesondere in den letzten
Derrick-Jahren fast penetrant ausgewalzt wurde. Der Kontrast zwischen gewissenlosen Schurken und ihren unschuldigen Opfern und ein Held (hier Krupka, zum Schluß Derrick), der der Moral und der Gerechtigkeit am Ende zum Sieg verhilft. Reinecker war während der Nazi-Zeit in mehreren Bereichen der Propaganda tätig. Vielleicht war es ihm ein Anliegen, in seinen Geschichten vieles wieder gut werden zu lassen.
Spoiler :
Angeblich war Curd Jürgens als Babeck vorgesehen gewesen, aber nach einem Unfall war er nicht so beweglich, so dass Charles Regnier als Babecks „rechte Hand“ hinterher tatsächlich Babeck war. So ganz verstehen kann ich die Argumentation nicht, denn auch im Rollstuhl ist Jürgens als angeblicher Babeck aktiv und die Verletzung wäre überhaupt kein Hindernis gewesen, den Drahtzieher allen Übels zu spielen.
Trotzdem ist der Handlungstwist reizvoll, dass Kaminsky der wirkliche Babeck und der Mann im Rollstuhl nur ein eitler Schauspieler ist, der für viel Geld die Rolle des Verbrecherkönigs spielt, während Kaminsky im Hintergrund bleibt.
Gut gefällt mir auch das Ende von Kaminsky, der gleichzeitig der Geliebte von Susanne Stefan (Senta Berger) ist, der Tochter des Schauspielers. Als Lösung für das von Krupka verursachte Problem kommen Kaminsky und die anderen Geschäftemacher auf die Idee, dass „Babeck“ durch Selbstmord sterben und die ganze Angelegenheit damit erledigt sein soll.
Als Susanne ihren toten Vater sieht, den sie zwar nicht mochte, ist sie doch betroffen. Kaminsky, ganz der lediglich in Geld denkende Geschäftsmann sagt nur „Ach, Susanne ...“ Typisch Mann.
Susanne sieht das allerdings etwas emotionaler, nimmt die Pistole aus der Hand ihres toten Vaters und erschießt Kaminsky. Typisch Frau.
Krupka weiß von den letzten Ereignissen nichts und hält den Mann im Rollstuhl weiter für Babeck, aber der Zuschauer weiß: Die Welt ist wieder in Ordnung.