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Autor Thema: Die Wendeltreppe (The Spiral Staircase) (USA, 1945)  (Gelesen 1115 mal) Durchschnittliche Bewertung: 5
filmfan
Azubi in der Police Academy
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« am: 13. September 2017, 22:37:36 »

Der Film, zu Recht als Klassiker des Psychothrillers gehandelt, vermengt unter der erfahrenen, stilvollen Regie Robert Siodmaks geschickt und mit scheinbar fließenden Übergängen eine Reihe von filmischen Ausdrucksmitteln - Elemente des Film Noir finden sich ebenso wie die des Gothic Horror und vermischen sich wie selbstverständlich mit einem psychologisches Familiendrama und einem klassischen Whodunit-Kriminalrätsel.

Schauplatz ist eine amerikanische Kleinstadt an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, in der ein Serienmörder umgeht, der es auf Frauen mit Behinderung abgesehen hat. Der durch Montage und Gestaltung höchst eindringliche Auftakt (während ein vorgeführter Stummfilm seinem dramatischen, klavieruntermaltem Höhepunkt zustrebt, fixiert der Mörder einen Stock höher sein hinkendes Opfer) stellt uns gleichzeitig die Heldin vor, Helen, die nach einem Schockerlebnis die Sprache verloren hat. Sie arbeitet als Hausmädchen bzw. Pflegerin bei einer Mrs. Warren, deren düsteres, viktorianisch überladenes Haus und die darin lebenden Menschen für die restliche Zeit der Handlung – die eine stürmische, windumtoste Nacht voller Blitz, Donner und wolkenbruchartigem Regen umfasst - den Hintergrund und das Personal bilden. Schnell wird klar, dass sich der Täter unter den Hausbewohnern befindet und dass Helen in höchster Lebensgefahr schwebt. Dabei variiert der Film gekonnt alle für diese Form des Thrillers benötigten und vom Zuschauer mit einem wohligen Schauern begrüßten Ingredienzien, um die – auch psychologische - Spannung immer höher zu treiben, bis es auf der titelgebenden Wendeltreppe, die in einen weitläufigen, verwinkelten, dunklen Keller führt, zum dramatischen Finale kommt.

Darsteller:

Dorothy McGuire,Kent Smith,George Brent,Rhonda Fleming,Ethel Barrymore usw.

Gespeichert

filmfan
Azubi in der Police Academy
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« Antworten #1 am: 13. September 2017, 22:39:07 »

Mich wundert es sehr, dass es zu diesem aussergewöhnlichen Film noch keinen Thread gibt!

Man mag manche Gemeinplätze und Klischees (die man als „erfahrener“ Zuschauer auch oft zu kritisch beurteilt, mir geht es zumindest so) bekritteln, sich an der etwas verschnulzten Lovestory und dem Heilungs-Happy-End stoßen, kritisieren, dass auch der psychologische Unterbau und die Erklärungsversuche zum Teil etwas undifferenziert und hohl ausfallen, das schmälert aber kaum den positiven Eindruck, zumal solche „Mängel“ von den – besonders weiblichen - Darstellern spielend aufgefangen werden. Dorothy McGuire als bedrohte Heldin, der Sprache beraubt und gerade deshalb darstellerisch und mimisch besonders gefordert, zeigt eine gelungene Mischung aus Verletzlichkeit, Angst und Entschlossenheit, ebenso beeindruckend Ethel Barrymore als bettlägerige Mutter, geplagt von den Schatten der Vergangenheit und der eigenen Schuld. Für entspannenden Humor sorgen Elsa Lanchester als trinkfeste Küchenmagd und Sara Allgold als matronenhafte, gestandene Krankenschwester.

Der Hitchcock-Vergleich bei solchen Filmen stimmt irgendwie immer und wirkt gleichzeitig auch immer einfallslos, allerdings beruht die Episode „An unlocked window“ (1965, 1985 unter dem Titel „Ein offenes Fenster“ im Rahmen der Neuverfilmungen ebenfalls dabei) aus der Reihe „Die Alfred Hitchcock–Stunde“ auf einer Geschichte Ethel Lina Whites, die auch die literarische Vorlage für „Die Wendeltreppe“ lieferte. Dabei wirkt diese äußerst gelungene und mit einer wirklich verblüffenden Auflösung aufwartende Folge durch viele Parallelen – der Serienkiller, das einsame, sturmumtoste Haus, Kranken- und Haushaltshilfen in Gefahr, eine trinkfeste Angestellte, ein unheimlicher Keller – fast wie eine kleine Neuverfilmung bzw. Neuinterpretation.

Besondere Dialoge:
Der folgende Beitrag enthält Spoiler.

"Helen, remember what I told you - don't trust anyone …"
(Professor Albert Warren)

“Anything can happen in the dark ...”
(Mrs. Oates)

“You scared the life out of me ...”
(Blanche)

"You tried to telephone didn’t you? I’m glad you couldn’t …"
(Professor Albert Warren)

“There is no room in the whole world for imperfection.”
(Professor Albert Warren)

"We’re quiet now, Helen. I’m glad I waited. Everyone is out of the way …"
(Professor Albert Warren)

“Steven is weak, as I once was. What a pity my father didn’t live to see me become strong. To see me dispose of the weak and imperfects of the world whom he detested. He would have admired me for what I’m going to do …”
(Professor Albert Warren)

“Ich finde sie richtig unheimlich. Ich habe das Gefühl, dass sie einen immerfort beobachtet - auch wenn sie schläft ...”
(Schwester Barker)

“... und trauen Sie keinem!”
(Professor Albert Warren)

“Ich sehe Schatten überall. Sie greifen nach uns. Wenn es Nacht ist, dann wachsen die Schatten und werden lebendig. Sie kommen immer näher und näher ...”
(Mrs. Warren)

“Heute ist wieder ein Mord geschehen. Es hat mir niemand erzählt, aber das ist auch nicht nötig. Ich weiß es auch so.”
(Mrs. Warren)

“Ich weiß genau, dass er von uns Beiden ziemlich enttäuscht war. Keiner von seinen Söhnen war das, was er sich unter einem richtigen Kerl vorstellte. Eine Mischung aus trinkfestem Abenteurer und Großwildjäger. Er hat immer gesagt, das Starke überlebt, das Schwache geht unter.”
(Steven Warren)

“Ich will dir nichts vormachen, Stefan. Ich mag dich nicht. Ich hab dich nie gemocht. Ich trau dir nicht!”
(Professor Albert Warren)

“Aus Schönheit machte er sich wenig. Ihm imponierte nur Kraft. Und seine zwei Söhne waren Schwächlinge. Sie wurden auch durch strenge Erziehung nicht anders. Er hat sich immer seiner beiden Söhne geschämt.”
(Mrs. Warren)

“Helen hat ihre Sprache durch einen Schock verloren, und nur durch einen Schock kann sie sie wiederfinden.”
(Dr. Parry)

“Hier in diesem Hause ist ein Mord geschehen, und ich habe es gesehen. Ich war damals schon krank. Ich saß hier oben an diesem Fenster. Es wurde gerade dunkel. Ich habe zuerst nur einen Schatten gesehen. Ich dachte, es sei ein Strauch, aber dann sah ich, wie ein schwachsinniges Mädchen, das bei uns in der Küche half, den Garten betrat, und plötzlich bewegte sich der Schatten und stürzte sich auf die Kleine. Ich kam nicht an die Klingel. Ich mußte hilflos mit zusehen. Dieses Mädchen trägt deine Züge in meinen Träumen.”
(Mrs. Warren)

“Alles verläßt das traute Heim. Sehr interessant ...”
(Steven Warren)

“Mein Gott, haltet ihr mich denn alle für verrückt?”
(Mrs. Warren)

“Du wolltest telefonieren, nicht? Wie gut, dass du nicht sprechen kannst.”
(Professor Albert Warren)

“Du bist schwach und unvollkommen. Und was schwach ist und nicht lebensfähig, dafür ist auf der Welt kein Platz!”
(Professor Albert Warren)

“Jetzt sind wir ganz alleine im Haus. Darauf habe ich gewartet. Kein Mensch ist mir im Wege ...”
(Professor Albert Warren)

“Stefan ist schwach. Ich war es früher auch. Mein Vater wäre stolz auf mich, wenn er mich heute sehen würde. Heute bin ich stark. Und ich habe die Aufgabe, die Welt von allem, was schwach ist zu befreien. Alles, was unvollkommen ist, lösche ich aus!”
(Professor Albert Warren)

Eine beschauliche Kleinstadt in Neuengland nach der Jahrhundertwende.
Während einer Filmvorführung wird im selben Gebäude im Obergeschoss eine junge Frau mit einer Gehbehinderung erwürgt. Es handelt sich bereits um das dritte der Polizei bekannte Opfer eines psychopathischen Serienmörders, der es offensichtlich auf junge Frauen mit einem physischen oder psychischen Leiden abgesehen hat.

Helen hat als kleines Mädchen mit ansehen müssen, wie ihre Eltern bei einem Brand ums Leben kamen und durch dieses Trauma hat die ebenso schöne wie sanfte junge Frau ihre Stimme verloren.

Als Helen von ihrem Kinonachmittag aus der Stadt nach Hause zurückkehrt, bricht ein Gewitter los, das den Rest des Abends anhalten wird. Unter Donnergrollen und peitschendem Regen fällt ihr der Türschlüssel in eine Pfütze. Während sie danach sucht, wird sie von einer dunklen Gestalt beobachtet, die ihr - hinter einem Baum versteckt - auflauert.

Helen arbeitet als Hausmädchen für die wohlhabende Mrs. Warren, die in einem abseits gelegenen feudalen Landsitz residiert. Die alte Dame ist zwar durch Krankheit ans Bett gefesselt, herrscht aber dennoch mit arroganter Kälte sowohl über ihre Angestellten als auch über ihre beiden Söhne.
Professor Albert Warren ist ein seriöser, introvertierter Wissenschaftler von verbindlichen Umgangsformen, der scheinbar lediglich für seine Studien über Botanik lebt.
Sein Halbbruder Steven - Mrs. Warren ist seine leibliche Mutter, jedoch nicht die von Albert - ist erst kürzlich von einem Aufenthalt in Paris zurückgekehrt. Derjunge Mann, der sein dreistes Benehmen mit unwiderstehlichen Charme verwechselt, unterhält eine Affäre mit Blanche, der Sekretärin von Professor
Warren, was dieser mit stiller, aber erbitterter Eifersucht quittiert.

Der Constable sucht am Abend den Professor auf, um ihn zu warnen, dass die Spur des Mörders in die Nähe des Anwesens der Warrens verfolgt werden konnte. Helen könne durch ihr körperliches Gebrechen das potentielle nächste Opfer sein.

Der junge, sympathische Arzt Dr. Parry, den mit Helen eine scheue Liebe verbindet, macht bei Mrs. Warren einen Hausbesuch. Er beabsichtigt, die junge Frau demnächst mit zu seiner Mutter nach Boston zu nehmen, damit sie sich dort einer Spezialbehandlung unterziehen kann, um ihre Stimme wieder zu erlangen.
Nachdem er von einem Krankenbesuch zurückgekehrt ist, will er Helen abholen, damit sie die Nacht in der Stadt verbringt, wo er sie sicherer wähnt als im Landhaus der Warrens.

Währenddessen spitzt sich die Situation für Helen in dem großen, überladen und antik möblierten Haus, in dem schon allein das flackernde Gaslicht, eine zu verlöschen drohende Kerze und ein vom Wind gepeitschter Fensterladen bedrohlich wirken, ständig weiter zu.
Wer immer ihr Beistand leisten könnte, ist dazu nicht mehr in der Lage.
Schwester Barker, die ihre ständigen Auseinandersetzungen mit Mrs. Warren leid ist, kündigt ihre Stellung als Krankenpflegerin und läßt sich von Steven in die Stadt fahren.
Mr. Oates wird beauftragt, für Mrs. Warren eine neue Flasche Ether zu beschaffen, da die alte auf mysteriöse Weise verschwunden ist. Dadurch wird der Hausdiener auf unbestimmte Zeit unterwegs sein.
Währenddessen hat Mrs. Oates mit Professor Warren für dessen Stiefmutter zur Anregung eine Flasche Kognak aus dem Weinkeller geholt, dabei für sich selbst eine Flasche entwendet und sich damit bis zur Bewußtlosigkeit betrunken.
Blanche findet den Konflikt zwischen ihrer Affäre mit Steven und ihrer Tätigkeit für Albert, der sie ebenfalls begehrt, unerträglich, muß jedoch erkenen, dass sie für Steven nichts als ein Abenteuer bedeutet hat und beschließt, umgehend das Haus zu verlassen. Bei dem Versuch, sich im Keller ihren Koffer zu beschaffen, wird sie das nächste Opfer des Mörders.
Dr. Parry muß über Nacht bei seinem Patienten bleiben und kann Helen erst am Morgen abholen.
Selbst die kleine Bulldoge Carlton ist ein Schoßtier und nicht als Wachhund zu gebrauchen.

Helen muß sich der ihr drohenden Gefahr allein stellen.
Als sie Blanches Leiche im Keller findet und neben ihr sogleich Steven auftaucht, ist sie überzeugt, den Mörder entlarvt zu haben und sperrt ihn in einen Verschlag.
Sie ahnt nicht, dass sie einem verhängnisvollen Irrtum erlegen ist ...

Die eindringlichen Schwarz-Weiß-Bilder, das Zusammenspiel von Licht und Schatten sowie die unheimliche Musik von Roy Webb verleihen dem Film eine faszinierende Atmosphäre und machen “Die Wendeltreppe” zu einem Klassiker, der im Laufe der Jahre nichts von seiner Ausstrahlung eingebüßt hat.

Regisseur Robert Siodmak läßt seinen Kameramann Nicolas Musuraca unvergesslich Bilder aufnehmen.
Die Morde werden aus der Perspektive des Täters gefilmt. Man sieht sein Auge in Großaufnahme, in der Pupille spiegelt sich das Gesicht des Opfers. Der Zuschauer wird zum Voyeur und buchstäblich selbst zum Mörder.

Die darstellerischen Leistungen sind durchweg ausgezeichnet.

Besonders Dorothy McGuire, die sich in ihrer Rolle nicht artikulieren kann, überzeugt als zwar schwache, aber dennoch nicht hilflose Frau, die sich im Rahmen aller ihrer Möglichkeiten zur Wehr setzt. Alle Emotionen zwischen Hoffnung und tiefster Verzweiflung vermittelt sie lediglich über Blicke und Mimik und
schafft eine großartige Darstellung.

George Brent gibt als Professor Warren eine faszinierende Vorstellung und beweist, dass man sein in Hollywood leider sträflich unterschätztes schauspielerisches Potential durch eine anspruchsvolle Rolle wie diese nur fördern mußte, um es zu erhalten.
Ein kultivierter Mann hinter dessen gelassener Fassade mörderische Abgründe lauern.

Die psychologische Motivation der von ihm verkörperten Rolle empfinde ich als durchaus nachvollziehbar. Vom Vater und der Stiefmutter als Schwächling verachtet, vom Halbbruder mit Gleichgültigkeit gestraft, zog er sich ganz in sich selbst zurück mit seinem Hass auf alles vermeintlich Unvollkommene, dessen Vernichtung er
sich zur Lebensaufgabe gemacht hat um sich selbst zu beweisen, dass er eben nicht zu den Schwächlingen zählt. Die Überzeugung vom Überlebensrecht des Stärkeren gegenüber dem Schwächeren, die ihm sein Vater vermittelt hat und die er sich wahrscheinlich durch seine biologischen Studien zueigen gemacht hat, setzt der Sohn konsequent in die Tat um. Die Umnachtung seines Geistes ist ihm nicht bewusst, er empfindet sich vielmehr als ein Vollstrecker des Willens seines Vaters.
Im Roman von Ethel Lina White ist übrigens der Wahnsinn des Professors durch seinen Vater erblich bedingt, und Albert hat als kleiner Junge mit ansehen müssen, wie dieser einen Mord beging.

5 von 5 Punkten Geniale/r Film/Serie
Gespeichert

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