Na, na! Ein Punkt zu geben ist aber schon eindeutig zu streng! Immerhin verhalf dieser Film Rock Hudson zu seiner Weltkarriere und ist eine weitere große Zusammenarbeit mit Douglas Sirk.
Die "wunderbare Macht" vermag einen neuen Menschen aus jemandem zu machen. Hierzu muss man sich lediglich als Wohltäter gerieren, aus freien Stücken geben und darüber Schweigen bewahren. Dr. Phillips, der Leiter eines Krankenhauses, hat so gelebt und wurde von allen verehrt. Jetzt ist er tot, und Bob Merrick (Rock Hudson) muss erfahren, hierfür ein Glied in der Kausalkette gewesen zu sein. Dieser reiche Erbe und Müßiggänger hatte wieder einmal versucht, mit seinem Motorboot einen Geschwindigkeitsrekord zu brechen. Dabei erlitt er einen schweren Unfall und musste mit einem bestimmten Apparat gerettet werden, der ansonsten für den kranken Dr. Phillips zur Verfügung gestanden hätte. Merrick wird von Phillips Freund Randolph in Phillips' Lebensanschauung eingeführt, die eindeutig christlich-religiöse Züge trägt (nach einer interessanten Interpretation von Michael Stern ist Phillips Gott und Randolph Jesus - Randolph will und will es nicht gelingen, ein Porträt von Phillips zu malen, weder Merrick noch wir bekommen je ein Bild von Phillips zu sehen). Merricks Versuche, sein Leben zu ändern, sind zunächst unbeholfen - weil er der Witwe Helen Phillips (Jane Wyman) auf die Nerven geht, flüchtet sie ein Mal vor ihm aus dem Auto, wird von einem anderen Auto angefahren und verliert ihr Augenlicht. Später lernt sie Merrick kennen, weiß aber nicht, wer er ist (haben wir nicht immer gelernt, dass Blinde ganz besonders gut hören???). Die beiden verlieben sich ineinander und fahren in die Schweiz, um den Rat von Spezialisten zu suchen (eine sehr plakative Studioschweiz, und in einem Lokal tanzen sie zu österreichischer statt schweizerischer Musik). Merrick hat inzwischen den ernsthaften Willen, sein Leben in den Griff zu bekommen. Auch als herauskommt, wer er wirklich ist, wollen Helen und er zusammenbleiben. Er nimmt sein abgebrochenes Medizinstudium wieder auf und wird am Ende versuchen, Helen an den Augen zu operieren.
An diesem Film scheiden sich die Geister. Manche halten ihn für hemmungslos dick aufgetragenen, billigen Kitsch, andere halten ihn für eines von Sirks ungewöhnlichsten und gelungensten Werken. An beidem ist ein Stück Wahrheit. Wir müssen uns völlig auf die etwas abstruse Geschichte mit gehäuften Unwahrscheinlichkeiten einlassen und können das hassen, können aber auch schätzen, dass sich Sirk nicht groß mit Fragen nach der Normalität in seinem ureigenen Universum aufhält. So interessiert ihn die Tatsache, dass Helen deutlich älter als Merrick ist (man könnte erst denken, er wird sich in die von Barbara Rush gespielte Stieftochter verlieben), nicht im Geringsten - was in seinem "Was der Himmel erlaubt" Anlass für massives Kleinstadtmobbing war. Ihn interessiert auch nicht, wie es denn zu dem Motorbootunfall kam und was genau dabei passierte. Merrick fährt schnurgerade, und auf einmal wird die Kamera plötzlich herumgerissen. Das mag bei dem knapp budgetierten Film der Tatsache geschuldet sein, dass ein anständiger Crash zu teuer geworden wäre, aber deutet auch auf die Schicksalhaftigkeit des Geschehens hin. In Sirkville sind alle dem Schicksal ausgeliefert, das unvermittelt und gegen alle Wahrscheinlichkeiten zuschlägt. Sirk biegt seine oft trivialen Stoffe gezielt darauf zurecht, so dass eben auch einmal eine Blinde den Mann, der ihr schon früher auf die Nerven gegangen ist, nicht an der Stimme erkennen kann. Hier ist alles Allegorie, auch das vordergründig betrachtet genauso unwahrscheinliche wie kitschige Ende. Sirk und sein Kameramann Russell Metty haben ein großes Geschick darin, diese schicksalhaften Allegorien zu filmen. Viele Sirk-Filme beginnen mit einer schnellen Bewegung eines Verkehrsmittels durch das Bild als Symbol für Umherirrende. Claudette Colbert braust in dem Noir-Krimi "Schlingen der Angst" mit einem Zug durch die Nacht, nicht wissend, wie sie in ihn hineingekommen ist. Robert Stack brettert betrunken in seinem schreiend gelben Sportwagen durch die Morgendämmerung zu dem Haus, in dem er seine Ehefrau der Untreue verdächtigt ("In den Wind geschrieben"). Und hier ist es Rock Hudson mit seinem Motorboot - übrigens von rechts nach links, nach Lesart der Kulturen, in denen man von links nach rechts schreibt, also rückwärts, in die Vergangenheit. Seine Zukunft wird nicht darin liegen, immer weiter auf der Überholspur zu leben! Bereits in dieser ersten Szene verweisen die bei Sirk üblichen schreienden Farben auf Zerrissenheiten. Später in Merricks Krankenzimmer sehen wir viel zu viele rote Blumen, als wolle Sirk seinen Kitsch ein bißchen ironisieren und nebenbei noch offene Wunden Merricks kommentieren. Wenn die blinde Helen nach einem phallischen Bettpfosten tastet, ist dies eine ausgeklügelte Szene von Licht und Schatten, die zunächst zeigt, wie das Licht zwar Stieftochter Joyce, aber nicht Helen erhellt. Dann verlässt Joyce den Raum. Helen tastet sich durch den Raum, es wird ein unruhiges Netz von Schattenlinien über die Bildfläche geworfen. Dann wirft ein Lichtkegel einer eingeschalteten Tischlampe in der Bildmitte ein helles Rund, doch Helen sinkt an dem Bettpfosten zusammen, das Gesicht kehrt sich in den Schatten, um dann ganz im Dunkeln zu verschwinden. Am Ende des Filmes erscheint der OP-Saal wie ein UFO, das sich im Glas einer Galerie spiegelt, und auch die Stimme Randolphs klingt wie aus einer weit entfernten Sphäre kommend. Merrick hat wirklich eine neue Welt betreten!
Soweit ein äußerst kunstfertiger und stellenweise sehr schöner Film. Kann man dergestalt tatsächlich den Inhalt "zurechtbiegen", wie Sirk das selbst immer ganz gern genannt hat? Nein, jedenfalls nicht vollständig! Um die extremen Unwahrscheinlichkeiten als Allegorie akzeptieren und goutieren zu können, ist die "wunderbare Macht" letztlich zu plakativ-geheimbüdlerisch. "Tu Gutes und rede nicht darüber" ist ein schönes und ehrenvolles Motto, aber dass es ausreichen soll, um den Sinn des Lebens zu erkennen und zu einer neuen Stufe der Vollendung zu gelangen, erscheint mir doch fraglich. Selbst die christliche Religion lässt sich meines Erachtens nicht auf gelebte Nächstenliebe reduzieren (wenngleich es ein wichtiges Element ist). Vor allem aber darf man einmal nachfragen, warum Merrick eigentlich so grundverdorben sein soll, dass gerade er das Versuchskaninchen für die Wunderbare Macht ist. Sicherlich, er ist ein Nichtsnutz, der sein Medizinstudium abgebrochen hat und sich vergnügt, auf der Suche nach dem Kick. Dass so einer sein Leben ändern sollte, lässt sich noch unterschreiben. Dass er es aber nicht nur sollte, sondern müsse, weil er eine schwere Schuld auf sich geladen habe, die es abzutragen gelte, überzeugt nicht. Dies ist jedoch der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Dies ist, was Auslöser der Haupthandlung ist: Schuld. Der Film suggeriert nicht nur, er tritt breit, dass Merrick schwere Schuld auf sich geladen habe. "Er musste sterben, damit ich leben kann"; dieses Credo hält uns der Film wie eine Monstranz vor. Sirk hat diese schicksalhafte Verquickung besonders am Herzen gelegen, er hat sogar eine Parallele in der griechischen Tragödie "Alkestis" gesehen. Diese kenne ich leider nicht, aber die Übertragung in die Neuzeit ist misslungen. Was als schwere Schuld apostrophiert wird, kann man schlicht mit allgemeinem Lebensrisiko übersetzen. Tagtäglich tun Menschen gefährliche Dinge, fahren Ski, klettern auf Berge, fahren Autorennen, und selbstverständlich sind nie genug Menschen und Geräte vorhanden, um wirklich bei allen Unfällen dieser Welt oder auch nur einer Stadt Hilfe zu leisten. Der Film schiebt Phillips' Tod Merrick zu Unrecht in die Schuhe, und Sirk ist es bitterernst damit. Darum erscheint auch der folgende Bußweg Merricks überzogen, moralinsauer und mit seinen ganzen Unwahrscheinlichkeiten abgeschmackt. Man kann verstehen, dass dieser Film von einigen gehasst, von anderen geliebt wird. Die angreifbare Ausgangssituation führt dazu, dass sich ein Schatten auf die großartige Darstellungsweise legt, daher insgesamt 3 Punkte von 5