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Autor Thema: Monsieur Spade: Ein Detektiv im Unruhestand  (Gelesen 33 mal) Durchschnittliche Bewertung: 0
Dan Tanna Spenser
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« am: 26. Januar 2024, 21:50:37 »



Privatdetektiv Sam Spade ist in der Filmgeschichte nur ein einziges Mal nennenswert in Erscheinung getreten: gespielt von Humphrey Bogart im Film-noir-Klassiker „Die Spur des Falken“. So ikonisch fiel diese Interpretation damals aus, dass es schwer ist, dazu eine tragfähige Alternative anzubieten. „Das Damengambit“-Schöpfer Scott Frank hat es nun dennoch probiert und den gealterten Spade (gespielt von Clive Owen) für einen Sechsteiler beim Kabelsender AMC in den Ruhestand nach Südfrankreich versetzt – wo er es natürlich mit einem neuen Fall zu tun bekommt. In den USA sind die ersten zwei Episoden inzwischen ausgestrahlt worden. Wir haben reingeschaut.

Anders als die Privatdetektive Philip Marlowe (von Raymond Chandler) oder Hercule Poirot (von Agatha Christie) gehört Sam Spade nicht zu jenen Größen der Kriminalliteratur, die auch auf der Leinwand oder auf dem Bildschirm omnipräsent sind und von immer neuen Schauspielern interpretiert werden. Wenn man ein paar unbekanntere Kurzgeschichten ausklammert, ist Sam Spade der Held nur eines einzigen Romans: „Der Malteser Falke“ von Dashiell Hammett, der, grob vereinfacht, als Miterfinder der sogenannten Hardboiled-Krimis gilt, in denen der Zynismus der Ermittler mit dem ihrer korrupten Umwelt gleichzog.

Der Roman wurde dreimal verfilmt, mal getreu, mal eher lose. Filmexperten mögen vielleicht noch „Der Satan und die Lady“ kennen, von 1936, mit Bette Davis, in dem Spade allerdings einen anderen Namen trug. Im allgemeinen Gedächtnis blieb allerdings sowieso nur dieser eine Film: John Hustons „Die Spur des Falken“ von 1941, in dem Spade von Humphrey „Bogie“ Bogart quasi unsterblich gemacht wurde.
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Scott Frank, der diesen Sechsteiler gemeinsam schrieb mit Tom Fontana, einem weiteren Veteranen des gehobenen Erzählfernsehens („Oz“, „Borgia“), erweitert den filmischen Spade-Kanon nun um sechs Episoden. Der Brite Clive Owen („Children of Men“), der inzwischen stramm auf die sechzig zugeht, erscheint dabei auf den ersten Blick nicht unbedingt als logische Wahl für die Rolle – schließlich ist Spade als abgezocktes „Private Eye“ aus San Francisco eine geradezu uramerikanische Figur. Andererseits erinnert durchaus einiges an Owen an Bogie: das immer noch sehr gutaussehende, aber müde gewordene Gesicht sowie die Fähigkeit, pointensatte Schnellfeuerdialoge nach Dashiell-Hammett-Manier glaubwürdig losschießen zu können. Auch der distanzierte Habitus, den Spade den vielen Verdächtigen ebenso entgegenbringt wie den Frauen, mit denen er sich einzulassen wagt, findet sich in Owens Spiel wieder. Insofern erweist sich die Besetzung schon nach kurzer Spielzeit als geradezu ideal.
Zumal Frank und Fontana hier ja ohnehin auf ein Fish-out-of-Water-Konzept setzen: Den Trenchcoat-Detektiv von der US-amerikanischen Westküste transplantieren für eine Art Sequel in die südfranzösische Kleinstadt Bozouls in Okzitanien, ungefähr auf halber Strecke zwischen Toulouse und Lyon gelegen, zwischen idyllischen Wäldern, Feldern und Weinbergen. Die Handlung trägt sich im Jahr 1963 zu, ein Jahr nach Ende des Algerienkriegs – was für den Plot noch eminent wichtig werden wird. Nehmen wir die Timeline von „Die Spur des Falken“ als hypothetische Grundlage, befinden wir uns also gut zwei Jahrzehnte weiter die Spade’sche Lebensstraße hinunter – was ganz gut passt, ist Clive Owen jetzt doch ungefähr zwanzig Jahre älter, als Bogart es bei den Dreharbeiten zum damaligen Film war.

Spade lebt, als Detektiv im Ruhestand, im imposanten Landhaus seiner reichen Winzer-Ehefrau Gabrielle (Chiara Mastroianni, „Die Liebenden“), die allerdings zwei Jahre zuvor gestorben ist, im Jahr 1961 (übrigens Dashiell Hammetts Todesjahr). Als Witwer begibt er sich auf seine täglichen Routinen im pittoresken Ort, die Prostata-Untersuchung beim frotzelnden Arzt fördert nichts Beunruhigendes zutage, allerdings besorgt der Zustand seiner Lunge: Wenn Spade nicht mit dem Rauchen aufhört, droht ein möglicherweise tödliches Lungenemphysem. Für den Kettenraucher Spade ist das eine schlimme Nachricht. Vom Polizeichef (eine herrlich grantige Spiegelfigur für Spade: Denis Ménochet aus „Wie wilde Tiere“) bis zur Äbtissin des nahegelegenen Konvents saugen quasi alle seine Mitbewohner permanent an ihren Glimmstengeln. Wie lange Spade wohl Verzicht üben kann?

Apropos Konvent: Serie und Handlung setzen bereits früher ein, nämlich im Jahr 1955. Da reist Spade aus den USA eigentlich nur in die französische Provinz, um ein siebenjähriges Mädchen namens Teresa zu ihrem Vater zu bringen. Teresa ist die Tochter von Brigid O’Shaughnessy, der Diebin aus „Der Malteser Falke“, die von Spade hinter Gitter gebracht wurde, doch Teresas Vater Philippe (Jonathan Zaccaï, „Büro der Legenden“) ist scheinbar im Algerienkrieg verschollen oder sonstwie untergetaucht. Auf jeden Fall fühlt sich niemand für Teresa zuständig. Fürs Erste kommen Spade und das Mädchen bei der reichen Gabrielle unter.

Acht Jahre später ist viel passiert: Teresa, inzwischen ein rebellisch orientierter Teenager (Cara Bossom aus „Deep State“), lebt in dem besagten Konvent, auch Sam ist in Frankreich geblieben. Aus Spade, dem berüchtigten Detektiv, ist Monsieur Spade geworden, der jeden Morgen nackt im Pool seines Landhauses badet. Gabrielle hatte er geheiratet, wenige Jahre später war sie gestorben. Von ihr erbte er nicht nur das Winzer-Anwesen, sondern auch die Hälfte eines örtlichen Musikclubs. Die andere Hälfte gehört der attraktiven Chansonsängerin Marguerite (Louise Bourgoin, „Adèle und das Geheimnis des Pharaos“), mit der Spade möglicherweise eine Affäre unterhält (oder unterhalten könnte, würde er Gabrielle hinter sich lassen können).

Das Leben ist für Spade ein langer, dauermelancholischer Fluss im provinziellen Idyll, bis gleich mehrere Veränderungen eintreten: Ein seltsamer britischer Nachbar (Matthew Beard) samt noch seltsamerer Mutter (Rebecca Root) scharwenzelt um Spades Anwesen herum, angeblich, weil er sich als Maler betätigen will. Sind es Spione? Philippe kehrt ins Dorf zurück und bemüht sich plötzlich sehr um seine so lange vernachlässigte Tochter. Hat er es auf das Geld abgesehen, das Teresa mit Erreichen der Volljährigkeit aus einem von Gabrielle eingerichteten Fonds erwarten kann? Und was will Marguerites zorniger Ehemann Jean-Pierre (Stanley Weber aus „Borgia“ und „Britannia“), der traumatisiert aus dem Algerienkrieg zurückgekehrt ist?

Am Ende der ersten Folge ereignet sich dann eine schreckliche Tat, die man an dieser Stelle verraten darf, erstens, weil AMC selbst damit wirbt, und zweitens, weil sie Spade wieder zum Detektiv macht: Die sechs Nonnen, die im Konvent auf Teresa und andere Mädchen aufpassten, werden brutal ermordet. Fortan gibt es viele Verdächtige zu beäugen – darunter einen mysteriösen Gruselmönch – und noch mehr Motive zu entwirren. Fontana und Frank (der alle sechs Episoden selbst inszenierte) blenden regelmäßig zurück in die Jahre zuvor, als Gabrielle noch lebte und Philippe scheinbar das gesamte Dorf erpresste: Die Kollaboration vieler Franzosen während der Nazi-Okkupation belastet die Bevölkerung ebenso wie später die Gräuel des Algerienkriegs. Ein seltsames Kind taucht auf, Unbekannte schießen auf Spade, und warum gibt sich Teresa so abgezockt, als habe sie selbst schon taffe Jahre in den Straßen von San Francisco hinter sich?

Nach zwei Episoden hängen die disparaten Story-Elemente noch stark in der Luft, für ein abschließendes Urteil ist es viel zu früh, zumal auch angekündigte Gastschauspieler wie Alfre Woodard noch gar nicht aufgetaucht sind und selbst Antagonist Philippe bislang kaum in Erscheinung trat. Was bis dato zu sehen ist, überzeugt allerdings als atmosphärisch ausgefeilte, historisch grundierte Krimi-Unterhaltung, die den zentralen Kniff stimmig erscheinen lässt: eine Ikone wie Sam Spade in ein völlig neues Setting zu verpflanzen. (Hier gibt es übrigens eine gewiss nicht beabsichtigte, aber doch auffällige Parallele zu „The Walking Dead: Daryl Dixon“: Auch dort bekam es die aus den USA nach Frankreich versetzte Hauptfigur mit Nonnen in einem Provinz-Konvent zu tun.)

Clive Owen gibt sein Bestes, um sowohl den am Flachmann hängenden Gumshoe der Anfangsszenen als auch den trauernden, lungenkranken Witwer der späteren Handlungsebene wie auch den aufgeblühten Spade der Gabrielle-Jahre glaubwürdig zu verkörpern. Generell ist es immer schön, Owen in maßgeschneiderten Hauptrollen wiederzusehen: In Hollywood war er nie so ganz angekommen, erst im letzten Jahrzehnt fand er in prägnanten Serienparts (zuletzt in „A Murder at the End of the World“) eine neue Berufung.

Allerdings bleibt das Ganze auch ein wenig unbestimmt. Hätte der Protagonist aus diesem Sechsteiler denn wirklich der berühmte Sam Spade sein müssen? Von einigen wenigen eher peripheren Anspielungen abgesehen (zum Beispiel jene auf Brigid O’Shaughnessy) hängt im Plot bislang erstaunlich wenig zusammen mit der Spade’schen Realität aus „Die Spur des Falken“. Im Grunde hätte Owen also auch eine völlig andere Figur spielen können, ohne dass dies der mit der französischen (Kriegs-)Geschichte verbandelten Erzählung nennenswert abträglich gewesen wäre.

Umgekehrt hängt nun über Owens gelungener Performance ein kaum wegzuwedelnder Schatten: der ständige Abgleich mit der legendären und letztlich nicht übertreffbaren Interpretation der Rolle durch Humphrey Bogart. Zumindest für jene ist das so, die den alten Film kennen – was aber wohl eine Mehrheit derjenigen sein dürfte, die sich für Sam Spade interessieren und deswegen neugierig auf die Serie sind. Dieser Falle entkommt sie nicht so leicht.

Dennoch: Tom Fontana und Scott Frank, der auch einige fantastische Filmdrehbücher („Logan“) schrieb, sind als Erzähler gewiss versiert genug, dass man darauf hoffen darf, solche Überlegungen nach den verbleibenden vier Episoden als überflüssig abheften zu können. Stand jetzt jedenfalls ist „Monsieur Spade“ eine solide Krimi-Nummer vor idyllischer Kulisse.

<a href="https://www.youtube.com/watch?v=BEof3NiY_B4" target="_blank">https://www.youtube.com/watch?v=BEof3NiY_B4</a>

Quelle: fernsehserien.de
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« Antworten #1 am: 26. Januar 2024, 21:55:27 »

Ein Trailer dazu Happy
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=WoRPIEtbcBM" target="_blank">https://www.youtube.com/watch?v=WoRPIEtbcBM</a>

Macht mich schon neugierig....könnte durchaus was gutes werden Happy
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