Die Olympischen Spiele waren weitergegangen
Mirko Weber, 11.09.2014 19:48 Uhr
Vierzehn Tage später war, außer Haltung, nicht mehr viel übrig geblieben von dieser heiteren Aufbruchsstimmung. Dazwischen lagen der Überfall des palästinensischen Kommandos Schwarzer September auf die israelische Mannschaft, siebzehn Tote, ein heilloses Chaos auf dem Flughafen in Riem, eine Trauerfeier mit dem Bundespräsidenten Gustav Heinemann und die Worte des damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage: „The games must go on!“
Und die Spiele waren weitergegangen, irgendwie, jetzt mussten sie irgendwie auch zu Ende gebracht werden. Es war der 11. September 1972, und Joachim Fuchsberger führte mit angemessen knappen Worten auch durch die Schlussveranstaltung. Das Stadion war dunkel, die Flamme verlosch, noch einmal wurde durch das Aufstehen von 70 000 Zuschauern der israelischen Sportler gedacht. In diesem Moment hielt der Regisseur des Abends, der Münchner Opernintendant August Everding, einen Zettel vor Fuchsbergers Augen: „Nicht identifizierte Flugobjekte im Anflug, möglicherweise Bombenabwurf, sag Du, was Du für richtig hältst.“
Am Tag danach wusste man mehr – das Flugzeug war aus Finnland, vom Kurs abgekommen, und die Abfangjäger waren schon in der Luft – aber Fuchsberger wusste zu diesem Zeitpunkt gar nichts, außer dass er die ganze Verantwortung hatte, wenn durch ein falsches Wort eine Massenpanik ausbrechen würde.
Schweigen war genau die richtige Strategie
Fuchsberger schwieg. Die Menschen verließen das Stadion, die Stadt ging schlafen, und die Spiele waren aus. Später hat Joachim Fuchsberger, der einen Beruf gelernt hatte, in dem man durch Schweigen selten weiterkommt, sich Hunderte Male durchgerechnet, was gewesen wäre, wenn – aber so kommt man irgendwann ja auch nicht weiter. Er war von der Situation überfordert – und ist ihr dennoch gerecht geworden, also hat er den 11. September 1972 halbwegs einsortiert: unter „Glück gehabt“. Viel Glück.
Nach einer medialen Pause und viel immer ansehnlichem Theater zwischendurch entdeckte Fuchsberger schließlich das Fernsehen für sich – einerseits in der gediegenen Unterhaltungssendung „Auf los geht’s los“, andererseits mit der Talkshow „Heut’ abend“. Fuchsberger kramte die Pfeife und auch Teilaspekte des Doktor Bökh in sich hervor: interessiert, mitfühlend, doch nie kumpaneihaft brachte er in einer ununterbrochenen Stunde Gesprächszeit von seinen Gästen etwas in Erfahrung, ohne sie jemals bloßzustellen oder von oben herab zu dozieren. Und wenn sie nicht sein Herz hatten, so hatten sie zumindest immer sein Verständnis.
Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de