Spenser
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***FORENBOSS***
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« am: 25. August 2007, 16:51:36 » |
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Handlung Alvy Singer ist ein erfolgreicher Komiker, intellektuell geprgt, jdischer Herkunft und ein ziemlich neurotischer Kerl, der es sich mit Frauen regelmig verscherzt. Er lernt Annie Hall kennen, verliebt sich in sie und trifft in ihr auf einen neurotischen Gegenpart. Hhen und Tiefen wechseln sich in ihrer Beziehung ab, in der sie sich gegenseitig mit ihren psychoanalytischen Weisheiten bertrumpfen. Alvy verliert auch Annie und nimmt sogar eine Reise ins verhasste Kalifornien auf sich, um sie zurckzugewinnen.
Die besondere Finesse des Films besteht in seiner zeitlichen Flexibilitt. Er beginnt damit, dass Woody Allen als Alvy Singer das Kinopublikum direkt anspricht, um danach in verschiedene Phasen seiner Biographie zurckzureisen und erst am Ende fazithnlich wieder in der Jetzt-Zeit den Film zu beschlieen. Mehrere Beziehungen der Hauptfigur werden angerissen, dabei kann schon die bloe Erwhnung eines Namens zu einem Zeitsprung fhren. Mehr als zwei Dutzend Zeitebenen durchreist der Film, der durch die Dialoge und die Fokussierung auf die Beziehungsleiden seiner Hauptfigur zusammengehalten wird. Als zentrale Beziehung erscheint die zu Annie Hall (Diane Keaton), die dem Publikum jedoch nicht chronologisch, sondern in Episoden sprunghaft vorgefhrt wird.
Um die Befindlichkeit seines Protagonisten zu verdeutlichen, greift Allen zu einer Vielzahl von Mitteln; so gibt es beispielsweise eine kurze Trickfilmsequenz oder Familienessenkarikaturen im Split-Screen-Verfahren. Legendr und gern kopiert ist die Szene, wo er als Erwachsener in seiner alten Schulklasse sitzt und die berlegung Ich frage mich manchmal, was aus meinen Mitschlern geworden ist, dazu fhrt, dass einzelne Schler nacheinander aus der Szenenhandlung aussteigen und in die Kamera ihre weitere Biographie erzhlen.
Dieser Film ist also weniger eine sachlich korrekte Aufarbeitung von Geschehnissen als vielmehr die filmische Version einer Gedankenkette. Dabei gehen Realitt, Gedankenspiel, verklrte Erinnerung, Gedankensprnge nahtlos ineinander ber; der Zuschauer ist aufgefordert, selbst die Ebenen und (Zeit-)Sprnge zu erkennen, der Film weist sie nicht explizit als solche aus. Dass er dennoch als homogen und flssig wahrgenommen wird und nicht in eine Episodenansammlung zerfllt, sorgte fr die Anerkennung, die ihm auch Jahrzehnte spter noch zuteil wird.
Kritiken Lexikon des Internationalen Films: Die sprunghafte Gagfolge frherer Allen-Filme ist einer ausgewogeneren Geschichte gewichen, in der pointierte Ironie den Slapstick weitgehend verdrngt. Dabei erweist sich Woody Allen als beraus versierter Regisseur, der spielerisch mit verschiedenen Stilen und Erzhlformen jongliert. Ein Klassiker der modernen Filmkomik...[1]
Auszeichnungen (Auswahl) 1978 Oscar Bester Film: Charles H. Joffe Beste Regie: Woody Allen Bestes Originaldrehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman Beste Hauptdarstellerin: Diane Keaton Nominierung als Bester Hauptdarsteller: Woody Allen 1978 Bodil Prisen Bester amerikanischer Film: Woody Allen 1978 BAFTA-Awards Bester Film Beste Regie: Woody Allen Bestes Drehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman Beste Schauspielerin: Diane Keaton Bester Schnitt: Ralph Rosenblum, Wendy Greene Bricmont Nominierung als Bester Schauspieler: Woody Allen 1978 Csar Nominierung als Bester auslndischer Film: Woody Allen 1978 DGA-Award Regie: Woody Allen, Frederic B. Blankfein (Co-Regie), Fred T. Gallo (Co-Regie), Robert Greenhut (Produktion) 1978 Golden Globes Bester Film Komdie oder Musical Beste Regie: Woody Allen Bestes Filmdrehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman Bester Hauptdarsteller Komdie oder Musical: Woody Allen Beste Hauptdarstellerin Komdie oder Musical: Diane Keaton 1977 Los Angeles Film Critics Association Awards LAFCA Award fr das beste Drehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman 1977 National Board of Review NBR Award als beste Schauspielerin: Diane Keaton 1992 National Film Preservation Board National Film Registry 1978 National Society of Film Critics Award NSFC Award fr den besten Film Bestes Drehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman Beste Schauspielerin: Diane Keaton 1977 New York Film Critics Circle Awards NYFCC Award fr den besten Film Bestes Drehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman Beste Schauspielerin: Diane Keaton 1978 Writers Guild of America WGA Screen Award fr die beste Komdie nach einem Originaldrehbuch: Woody Allen, Marshall Brickman
Anmerkungen zur deutschen Fassung Der Begriff Stadtneurotiker ist mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen und bezeichnet vor allem Bewohner von Grostdten, die sich durch besondere Macken auszeichnen, die angeblich auf Grostadtstress zurckzufhren sind.
Eckhard Henscheid, Co-Autor der Synchronfassung, hlt den Titel Der Stadtneurotiker jedoch fr "ein Missverstndnis bis hin zum flagranten Nonsens", weil der Begriff zunchst alles und nichts bedeute, der Handlungsort Manhattan doch eher schon Weltstadt sei und es im Film auch gar nicht um einen Neurotiker gehe. Henscheid merkt zudem kritisch an, dass die meisten sprachlichen Spe des Films in der deutschen Fassung gar nicht von Allen und Brickman stammen, sondern den Darstellern erst durch die Synchronisation in den Mund gelegt wurden (siehe auch Wikiquote Woody Allen).
Wissenswertes Sigourney Weaver hatte in diesem Film in einer Kleinstrolle (Dauer: 6 Sekunden) ihr Filmdebut. Marshall McLuhan, der berhmte Kommunikationswissenschaftler, wird in einer Szene (Kontroverse in der Schlange vor der Kinokasse) von Alvy Singer zitiert und tritt pltzlich hchstpersnlich zu Alvys Untersttzung auf (Cameo-Auftritt). Alvys Reaktion: "Ach, wre es doch einmal so im richtigen Leben" Harry und Sally kann in einiger Hinsicht als Nachfolger/Sequel gelten. Die Konstellation der Figuren und ihre Sorgen sind hnlich ausgerichtet wie in diesem Film (und in hundert anderen auch). Musikalische Themen und Modestil aus [Annie Hall] werden wieder aufgegriffen. Harry und Sally begegnen sich 1977 zum ersten Mal das Jahr, in dem [Annie Hall] ins Kino kommt. Diese Sequel-Idee ist eher von Indizien als Beweisen getragen, schaut man sich beide Filme allerdings hintereinander an, erkennt man mehr Zusammenhnge und Bezge, als man erwarten wrde.
Literatur Woody Allen, Marshall Brickman: Der Stadtneurotiker. Drehbuch (Originaltitel: Annie Hall). Deutsch von Eckhard Henscheid und Sieglinde Rahm. Diogenes, Zrich 1988, ISBN 3-257-20822-7 Gerhard Pisek: Die groe Illusion. Probleme und Mglichkeiten der Filmsynchronisation. Dargestellt an Woody Allens Annie Hall, Manhattan und Hannah and her sisters. (Dissertationsschrift.) Wissenschaftlicher Verlag Trier (WVT), Trier 1994, 263 S., ISBN 3-88476-082-3 Vittorio Hsle: Woody Allen. Versuch ber das Komische. Deutscher Taschenbuchverlag (dtv), Mnchen 2001, ISBN 978-3-42334254-4
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