"It's so easy to set fire to a Woman of Straw" behauptet das Filmplakat und liefert eine angeblich plausible Antwort auf die Frage nach der Bedeutung des Filmtitels. Die attraktive Frau als Köder, um einen alten Mann steuern zu können - dieser Einfall ist nicht neu und setzt voraus, dass sich die aus bescheidenen Verhältnissen stammende Fremde bereitwillig formen und lenken lässt. Die Aussicht auf ein immenses Vermögen geht einher mit einem angenehmen Lebensstil und der scheinbaren Freiheit in nicht allzu ferner Zukunft. Was wie ein abgekartetes Spiel aussieht, erhält durch die Unberechenbarkeit menschlicher Emotionen neuen Esprit und gerät zu einem Kräftemessen der drei Hauptdarsteller. Gespannt verfolgt der Zuschauer, welcher Charakter sich durchsetzen wird und ob es zu Abweichungen im perfekt choreografierten Ablauf kommen wird.
Gina Lollobrigida zeichnet die Figur der Maria sehr behutsam und verleiht ihr die Facetten einer willensstarken Frau, deren Herkunft sie geprägt hat. Die solide Basis ihres Berufs lässt ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit in geordneten Bahnen verlaufen; sie hat im England der "stiff upper lip" bereits gelernt, ihre Gefühle zu kontrollieren und sich kühl zu geben. Der Kontrast zwischen ihren privaten Momenten im eigenen Zimmer, in denen sie sich in Unterwäsche und rauchend zeigt und der gefassten Haltung in der Öffentlichkeit, wird mehrmals betont. Sie ist kein Backfisch, der sich begeistert von dem smarten Anthony einwickeln lässt, sondern eine nachdenkliche Frau, deren Motivation aus längeren Überlegungen wächst. Obwohl ihr Äußeres sehr ansprechend in Szene gesetzt wird, besticht sie durch natürliche Eleganz. Sophia Loren hätte ich hier als vulgär empfunden.
Sean Connery führt seine Rolle als James Bond mit anderen Mitteln fort und fügt sich nahtlos in die erlesene Umgebung. Er setzt seinen Charme feindosiert ein und zeigt in den passenden Momenten Härte - genau das, was sein Publikum von ihm erwartet. Als einziges Bindeglied zwischen dem ruppigen Alten und der empathischen Maria obliegt ihm die Aufgabe, sowohl zu vermitteln, als auch eine klare Linie zu verfolgen. Vertrauen und Misstrauen halten sich die Balance und warten auf den Moment, in dem die Maske fällt. Dann kommen Gier, Verachtung und Skrupellosigkeit zum Vorschein, was ihn wiederum angreifbar macht. Der stolze Schotte scheint sich ohnehin immer ein wenig über den Snobismus seiner südlichen Nachbarn zu amüsieren, die ihr Inseldenken und den Wunsch nach einer elitären Vormachtstellung nie richtig ablegen konnten. Das zeigt sich auch am Verhalten des Alten gegenüber seinen schwarzen Dienern, die er als willenlose Erfüllungsgehilfen betrachtet.
Die großzügig bemessene Spielzeit entspricht einem Epos und gibt der Geschichte ausreichend Zeit, sich zu entfalten. Rückschläge und Schwierigkeiten erhalten somit glaubhafte Bedeutung und geben dem kriminalistischen Gehalt der Geschichte den nötigen Raum. Luxuriöse Interieurs, weitläufige Parkanlagen und eine strahlende Mittelmeeratmosphäre zeigen eine Opulenz, die dem Auge schmeichelt. In Verbindung mit dem Besten, was aus den verschiedenen Bereichen zu bekommen war - man denke an Dior, Beethoven und eine Luxusyacht vor Mallorca - verwöhnt "Die Strohpuppe" nicht nur optisch, sondern auch durch das stringente, spannende Drehbuch, das keine Wünsche offen lässt.
Klare Empfehlung an alle Krimifreunde, die ein exquisites Ambiente ebenso schätzen wie ein listiges, hinterhältiges Rätsel und prägnante Figurenzeichnungen. 5 von 5 Punkten.