@Dan: Die DVD ist von Spirit Media erschienen
Mich erstaunte vor allem, wie gängig der Humor im „Doppelgänger“ auch für den heutigen Zuschauer noch wirkt. Zwar wird in der zitierten, im „Wallace Lexikon“ abgedruckten Kritik bemängelt, die Hauptakteure Alexander, Horn, Maurus u.a. spielten nicht überdreht genug, doch gerade diese „normalbürgerlich“ genannte Art kommt dem aktuellen Sehempfinden ausgesprochen gut entgegen. Theo Lingen, der von der Morgenpost als Musterbeispiel für kauzige Lustigkeit angeführt wird, ist mithin der einzige Darsteller, der ganz und gar „over the top“ geht und damit die Grenze des jetzigen Geschmacks hier und da überschreitet. Vor allem sein erster Auftritt in der Kunstgalerie oder seine Vorliebe für abstruse Masken, die der verhältnismäßig komplexen Geschichte kaum etwas hinzufügt, sorgten für mich doch eher für Momente des Wunderns als des Lachens.
Da ist es der „normalere“ – nicht gerade subtilere, aber doch nicht ganz so alberne – Charme der übrigen Protagonisten, der den „Doppelgänger“ zu einem sehenswerten Film macht. Im Grunde genommen handelt es sich um eine jener Verwechslungsarien, die zwischen den Dreißigern und den frühen Sechzigern in deutschen Kinos in gefühlten tausendfachen Variationen auf und ab liefen. Der Plot vom versehentlich abrasierten Schnurrbart, der zur Verwechslung mit einem Schwerverbrecher führt, glänzt aber durch die Wallace eigene atmosphärische Dichte und eine überraschende Schlussauflösung, die zu erinnern meine Lektüre des Romans glücklicherweise schon etwas zu lang her war.
Getragen wird die Kriminalgroteske von der resoluten Darstellung Camilla Horns als Titelheldin. Sie sperrt ihren Vetter in dessen eigenem Haus ein, nachdem sie ihn für den berüchtigten „Doppelgänger“ hält. Im Zusammenspiel mit dem verdutzten Georg Alexander entwickeln sich Pointen über Pointen, von denen nicht jede, aber doch eine ganze Menge zündet. Der Prolog auf dem Schiff von Sidney nach London dient dabei als eine gemächliche Einstimmung auf den wild entschlossenen Charakter der gerade „großjährig“ gewordenen Jenny Miller: Als erste Amtshandlung an ihrem Geburtstag nabelt sie sich von ihrem besserwisserischen und misstrauischen Onkel ab und bestellt sich kurz nach Mitternacht erst einmal Kaffee, ein Stück Kuchen mit sehr viel Schlagsahne und süßen Likör.
Ihr Vetter ist ihr ganzes Gegenteil – ein Mann, der sich außer einer (noch zu viel Unheil führenden) angeblich rein kulturell motivierten Bekanntschaft kein Abweichen von den Normen und den Vorurteilen der Menschen erlauben möchte. Dafür nimmt er sogar in Kauf, eine Notlüge mit der nächsten aus dem Weg zu schaffen – auch hier bietet sich freilich reichlich Platz für eigentlich harmlose, dann aber doch fast in kriminellen Machenschaften endende Irrungen und Wirrungen. Wer der heiteren Muse nicht abgeneigt ist, sollte gespannt sein.
Wie bereits bei den vorherigen Veröffentlichungen hat sich Spirit Media um das bestmögliche Material und dessen im Rahmen des Budgets vorbildliche Restaurierung bemüht. Die Kopie, die für die DVD verwendet wurde, stammt dieses Mal wieder aus dem Bundesarchiv und weist damit sowohl einen deutschen Originalvorspann (mit Ausnahme der, aus welchen Gründen auch immer, neugesetzten Titeltafel) als auch Zwischeneinblendungen von Telegrammen und Briefen in deutscher Sprache auf. Die Bildqualität steckt die des „Hexers“ locker in die Tasche, da sich hier die Materialsituation wohl nicht ganz so schwierig gestaltete, reicht aber nicht ganz an die des auch mit Fremdmitteln schon auf Vordermann gebrachten „Zinkers“ heran. Der Mittelweg ist für Klassikerfreunde trotzdem sehr gängig – die kleinen Szenenfotos vermitteln einen recht guten Eindruck des etwas rauschigen, aber prinzipiell gelungenen Bildes. Einziger Störfaktor ist, dass es an einigen Stellen des Films zu kleinen Materialsprüngen kommt, also ein hier und da ein Satz und mit ihm ein paar Sekunden des Streifens verschütt gingen.
Die Bonusmaterialien und Menügestaltung entsprechen in den allermeisten Punkten dem Umfang des „Hexers“, werden aber durch ein kleines, nirgends genanntes Goodie noch zusätzlich aufgewertet: Nachdem der Film beendet ist, läuft ein neu gesetzter Abspann, der mit dem Gesangsstück „In Memoriam Edgar Wallace“ aus der musikalischen Komödie „Die Nervensäge“ unterlegt ist. Diese kleine Ode an den Schriftsteller rundet das fröhliche Filmvergnügen perfekt ab.
Nachdem der „Hexer“ aus dem Hause Ondra-Lamac seine Verkleidung als vielgefragte Rarität abgelegt und sich eher als eine dröge Angelegenheit entpuppt hatte, erstaunen das Gusto und die freche Liebenswürdigkeit, mit der die Macher bei „Der Doppelgänger“ nach zwei Jahren Pause ans Werk gegangen sind. Der Film ist, abgesehen von einigen Altersschwächen, auch heute noch jeden Blick wert und für mich die beste der drei Dreißigerjahre-Exkursionen. 4,5 von 5 Punkten – ich schließe mich hiermit dem freundlichen Beifall des Premierenpublikums aus dem Februar 1934 gern an.