Ich habe den Roman ausgelesen und bin mir immer noch nicht im Klaren, was ich da in den letzten Tagen gelesen habe? Es war definitiv kein Parker und hatte nichts mit den Dingen gemein die der typische Fan an der Spenser-Reihe so schätzt. Sprachlich kann Lupica nicht mal im Ansatz mit Atkins oder Parker mithalten. Der Band ließ alles vermissen, wofür die Reihe zurecht immer gelobt wurde. Wo war zB die Neckerei zwischen Spenser und Hawk? Fehlanzeige! Aber der Reihe nach. Zuerst die Charaktere im Einzelnen:
Spenser - schaut nun Streamingdienste und ist verrückt nach der Serie "Bosch" auf Prime Video. Gibt sich auf einmal politisch und sieht schwarz für die Zukunft. Alle anderen Eigenschaften habe ich schon genannt. Wirkt wie Hawk weniger gebildet wie sonst.
Hawk - sprachlich gar nicht mehr wieder zu erkennen. Spricht nun ausschließlich Straßen-Slang. Wo ist der durchaus gebildete Hawk hin?
Susan - Chapeau! Der einzige Charakter den der Autor nicht versaubeutelt hat. Kurz flackerten Momente auf die mich an frühere Dialoge zwischen den beiden Turteltauben erinnern. Aber nur fast.
Mattie - lungert in Los Angeles ohne Arbeit herum. Hat ihre Polizeiausbildung hingeschmissen. Lebt auf Z's Kosten. Ist nun ein Hollywood-Flittchen und datet einen C-Schauspieler nach dem anderen.
Quirk - Atkins hat ihm aus gutem Grund abdanken und in den Ruhestand geschickt. Was macht Lupica? Lässt ihn wieder arbeiten. Nicht nur das - Quirk taucht in jedem dritten Kapitel auf und die Dialoge fühlen sich wie in einem "ältere Herren-Stammtisch" an.
Lee Farrelll - ist in die Abteilung für "Sexualdelikte" gewechselt. Macht dann auch noch Schwulenwitze

Belson - freundlich und verfressen (nicht gerade Roman-Belson like)
Jen Yoon - die coole koreanische Hackerin die Atkins in die Reihe eingeführt hat. Ist bei Lupica nicht mehr cool. Macht die Drecksarbeit für Z.
Sunny Randall - tauchte tatsächlich nur ganz kurz im 38. Kapitel auf. Für 3 Sätze!!! Was für ein gelungenes Crossover....nicht! Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man

Ähnliches könnte ich über Tony Marcus oder Zebulon schreiben, die auch einfach nur DA waren. Es ist zum Mäusemelken. Ein Beispiel. Spenser erwähnt im Mittelteil einen Charakter und einen alten Fall aus dem Roman Paper Doll und schwelgt in Erinnerungen. Kurze Zeit später besucht ihn ein Mann namens Marty Kaiser in seinem Büro. Eben jener Kaiser hätte ihm bei dem Fall (in Paper Doll) geholfen. Im Roman taucht jedoch keine Figur unter diesem Namen auf. Hat also gar nicht stattgefunden. Das wäre noch gar nicht das Schlimmste wenn Marty Kaiser in diesem Buch Spenser irgendwie von Nutzen wäre. Aber der Mann redete nur über Fiskalpolitik und welche Vorteile er Unternehmen wie "Lith" aus Fusionen ziehen. Spenser betonte mehrere Male dass Kaiser der "weltbeste Steuerberater" wäre. Kaiser rundete das ganze ab und bezeichnete Spenser als "World's Greatest Detective".
Was Lupica aus Mattie gemacht hat, werde ich ihm wohl nie verzeihen können. Auch so war der Band langweilig. Es gab nach dem zwanzigsten Kapitel so gut wie keine Spannung mehr. In jedem Kapitel gab es nur Cafe - oder - Restaurantbesuche. Parker und Atkins bauten diese auch ein. Aber gekonnter und sinnvoller. Klar, auch Spenser ist älter geworden und braucht seine Ruhephasen. Aber nicht so!
Ein Beispiel bietet quasi jedes Kapitel. Bei Parker und Atkins machte Spenser eine bestimmte Sache pro Kapitel. Ein Cafebesuch umfasste so zB ein Kapitel. Bei Lupica unternimmt Spenser so viel Überflüssiges dass man Mühe mit der eigenen Konzentration hat. Hier mal eine Zusammenfassung des 83. Kapitels (ja, so viele gab es in dem üppigen Buch):
Spenser backt Waffeln für Susan; Susan fliegt nach New York; Spenser fliegt nach L.A. zu Z und Mattie (was er dort macht, wird nicht beschrieben); Ohne genau zu erörtern ist Spenser in Sekundenschnelle wieder in Boston und geht mit Pearl Gassi; Spenser isst mit Belson freundschaftlich zu Mittag; Spenser joggt mit Hawk am Charles River; Spenser telefoniert mit Susan; Spenser kann gerade noch einer Kugel ausweichen.
Ohne Witz hat sich das alles in einem (!) Kapitel abgespielt. WTF? Die Figuren sind nur noch Schatten, nein, Karikaturen ihrer selbst. Wenn Atkins nicht doch noch einmal Lust haben sollte, einen Spenser zu schreiben, werde ich meine Vorfreude auf einen neuen Lupica-Spenser zügeln. Der Titel "Broken Trust" passt zu meiner derzeitigen Gemütslage - ich habe das Vertrauen in den Schriftsteller gänzlich verloren, aber wie du schon richtig schreibst - es driftet in eine fatale Richtung.
Ich wünsche mir Ace sehnlichst zurück! Er hat zwar auch manches verändert, aber bei ihm hatte man stets das Gefühl dass er Parker's Sprachmelodie mehr als nur getroffen hat. Waren "Double Deuce" und "Hugger Mugger" in meinen Augen schwache Romane, so ist "Broken Trust" ein einziger Totalausfall. Marky Mark hat tatsächlich Konkurrenz für den schlechtesten Spenser bekommen. Ich könnte noch viel mehr austeilen, aber muss das erst noch sacken lassen. Verzeiht mir, aber hier kann ich nur einen Stern verteilen. Trotz der okayen Susan-Darstellung reicht es nicht für mehr.

Allen Foren-Mitgliedern kann ich nur den Rat geben: Nicht lesen, das erspart vor Enttäuschungen. Vielleicht fällt mir die Tage noch mehr ein, aber ich bin entsetzt...
