Ein interessanter Bericht bei serienjunkies.de
Robert Urich als Privatdetektiv in Boston, Avery Brooks als Profikiller zwischen den Fronten. Das war Spenser: For Hire. Serienjunkies.de-Redakteur Christian Junklewitz erinnert an eine Krimiserie der 80er Jahre, die nicht in Vergessenheit geraten sollte.
Von 1985 bis 1988 lief auf dem US-Network ABC die Krimiserie „Spenser: For Hire“, basierend auf den Detektivromanen des Schriftstellers Robert B. Parker („Jesse Stone“). 1987 hat Sat.1 die Serie erstmals nach Deutschland geholt. Später lief sie auch noch auf verschiedenen anderen Sendern. Seit mehr als zehn Jahren ist sie hierzulande jedoch nicht mehr wiederholt worden.
Auf eine DVD-Veröffentlichung haben die Fans lange warten müssen. Im August 2014 hat Warner Archive die erste Staffel in den USA herausgebracht. Die Ausstattung ist äußerst spartanisch. Auf jedwede DVD-Extras wurde verzichtet. Zumindest Bild- und Tonqualität sind aber sehr gut. Eine DVD-Veröffentlichung in Deutschland ist nach Auskunft von Warner Bros. Home Entertainment aktuell leider nicht geplant.
SpenserDie Serie steht - wie die Romane, auf denen sie gründet - in der „Hard Boiled“-Tradition von Raymond Chandler und Dashiell Hammett. Spenser (Robert Urich, „Vegas“) - Vorname unbekannt - ist ein ehemaliger Polizist, der inzwischen als Privatdetektiv seine Brötchen verdient. Als junger Mann hatte er sich vorübergehend auch als Profiboxer versucht. Die große Karriere ist ihm dabei jedoch versagt geblieben. Noch heute geht er aber regelmäßig zum Boxtraining, was schließlich auch für seinen aktuellen Beruf nicht schaden kann.
Sein Selbstverständnis als Privatdetektiv ist, dass es in seinem Beruf mehr um Menschen als um Indizen geht. Bisweilen hat sein Auftreten deshalb etwas von einem Sozialarbeiter, wenn nicht gar Priester. Was allerdings nicht bedeutet, dass er nicht auch eine talentierte Spürnase ist.
Spenser ist ein hartgesottener Bursche - egal ob mit den Fäusten oder seiner Neun-Millimeter-Berretta. Sein Zuhause ist die Straße, wo er jeden Zeitungshändler und Würstchenverkäufer kennt. Gleichzeitig ist Spenser aber auch ein ungemein kultivierter Mensch. Er ist ein Bücherwurm, der bestens mit Literatur, Geschichte und Philosophie vertraut ist. Er zitiert Thomas Jefferson, Jean-Paul Sartre und sogar Otto von Bismarck. In seiner Freizeit ist er ein passionierter Hobbykoch - mit Sinn für die Haute Cuisine.
Was ihn jedoch möglicherweise mehr als alles andere von herkömmlichen Detektivfiguren unterscheidet: Spenser lebt in einer festen Beziehung, und zwar mit der Psychologin Susan Silverman (Barbara Stock).
SusanWährend andere Detektive in jeder Folge eine neue Frau im Arm haben, lebt Spenser bemerkenswert monogam. In der ersten Staffel der TV-Serie gerät er zwei Mal in Versuchung, Susan zu betrügen. Bei beiden Gelegenheiten widersteht er. Treue, Anstand, Verantwortung - das sind Dinge, die in seinem Wertekosmos eine große Rolle spielen. Außerdem sind er und Susan wirklich verrückt aufeinander. Die Serie zeigt die Beziehung der beiden als eine respektvolle, zärtliche, aber auch - im Rahmen der Möglichkeiten einer Network-Serie - sexuell leidenschaftliche Partnerschaft.
Von der Art, wie die beiden miteinander sprechen und umgehen, könnten Spenser und Susan eines der authentischsten Paare der TV-Geschichte sein. Zugleich sind sie - für das Fernsehen der 80er Jahre - ein überaus progressives Paar: Das Thema Heirat kommt zwar hin und wieder zur Sprache, wird aber letztlich verworfen. Die beiden führen eine Fernbeziehung: er wohnt in Boston, sie in Smithfield. Daran wollen beide auch nichts ändern. Besonders Susan legt viel Wert auf ihre Unabhängigkeit. Sie ist eine selbstständige Frau - mit einem unzweifelhaft feministischen Selbstverständnis. Spenser ist in vielerlei Hinsicht traditioneller und konservativer geprägt. Das Faszinierende an ihrer Beziehung ist deshalb nicht zuletzt, wie sie trotz ihrer immer wieder aufflammenden Differenzen an ihrer Liebe festhalten.
HawkEine ebenfalls von Differenzen geprägte Beziehung ist Spensers Freundschaft zu Hawk (Avery Brooks, Star Trek: Deep Space Nine). Hawk ist wohl eine der ungewöhnlichsten Figuren, die es je auf den Fernsehbildschirm geschafft haben: Ein ehemaliger (?) Profikiller, der seine Dienste jedem zur Verfügung stellt, der sie sich leisten kann: Ob als Bodyguard für Mafiagrößen, als Geldeintreiber für Kredithaie - oder als schlagkräftige Verstärkung eines gewissen Privatdetektivs. Er selbst beschreibt seine Tätigkeit einmal so: „Fortgeschrittene Techniken zum Überleben in der modernen Welt“.
Hawk lebt nach seiner ganz eigenen Ethik. Mal ist er auf der einen Seite des Gesetzes anzutreffen, mal auf der anderen. Auch Spenser kann sich nie so ganz sicher sein, ob Hawk ihm als Verbündeter zur Seite stehen oder als Gegner über den Weg laufen wird.
Die Erfahrung, ein Schwarzer zu sein, hat Hawk maßgeblich geprägt. In einem Streit mit Spenser drückt er es so aus:
„You will never know what it's like to be black. Did you ever have a little child run away from you with fear in his eyes, just 'cause you're black? Did you grow up having people call you 'Boy', and meaning it? Become a man, eat, drink, drive, and wear the best - and in the eyes they're still saying 'Boy'? Well, I found out how to be strong. And getting strong made me a whole lot tougher than you'll ever be!“ („Original Sin“)
Hautfarbe und Rassismus spielen in der Serie immer wieder eine Rolle. Hawk selbst hat eine eigentümliche, nicht unbedingt politisch korrekt zu nennende Art, mit diesen Dingen umzugehen. Etwa, als er eine Klientin, die er für Spenser beschützen soll, mit den Worten beruhigt: „Keine Angst, ich tue nur das, was mein Gebieter (Master) mir sagt.“ Ironisch nimmt er hier die Rolle des Sklaven an. Gleichzeitig verfügt er aber über ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein. Als besagte Klientin ihm wenige Augenblicke später klar zu machen versucht, dass er doch keinen Deut schlechter ist als irgendein anderer Mensch auf der Welt, stellt er klar: „Ich bin besser!“
Als Kämpfer gilt das auf alle Fälle. Ihn umgibt geradezu eine Aura der Unbesiegbarkeit. Im Boxring - er trainiert im gleichen Club wie Spenser - bleibt kaum einer gegen ihn auf den Beinen. Und wenn Hawk seine Waffe zieht, erst recht nicht.
Er, der Junge, der es aus dem Ghetto geschafft hat, umgibt sich gerne mit Statussymbolen: große Waffen, teure Anzüge, luxuriöse Autos. Mit schöner Regelmäßigkeit macht er sich über die alte Karre lustig, mit der Spenser unterwegs ist. Überhaupt zeichnet sich Hawk durch seinen ganz besonderen Humor aus, mit dem er die Dinge sieht.
Bisweilen ist er in der Serie auch für die One-Liner zuständig. Etwa, wenn er, nachdem er einen der Bad Guys ins Hafenbecken befördert hat, trocken kommentiert: „Schöner Tag zum Schwimmen.“ Oder wenn er eine Krankenschwester, die ihn vor einem Mann mit einer Waffe warnt, beruhigt: „Keine Angst, meine ist größer!“ (und dazu seine Riesen-Wumme zieht).
Die CopsKomplettiert wird der Cast durch die beiden Polizisten Lt. Quirk (Richard Jaeckel) und Sergeant Belson (Ron McLarty). Quirk und Spenser verbindet ein freundschaftlich respektvolles Verhältnis. Quirk weiß die Arbeit des Privatdetektivs zu schätzen - und lässt ihm auch schon mal die ein oder andere Gesetzesübertretung mit zugekniffenen Augen durchgehen. Belson ist das gar nicht so recht. Er blickt immer etwas verächtlich auf den „private cop“ herunter (dabei ist Belson selbst nicht gerade das Paradebeispiel eines mustergültigen Kriminalisten).
Procedural„Spenser: For Hire“ ist zunächst mal eine grundsolide erzählte Krimiserie, in der es nur in den allerseltensten Fällen etwas am Plot der Episoden auszusetzen gibt. Die Voice-Over-Narration durch Spenser gibt der Serie einen schönen Noir-Touch. Das einzige größere Manko - zumal aus heutiger Perspektive - ist die Tatsache, dass „Spenser: For Hire“ praktisch durchweg aus in sich abgeschlossenen Episoden besteht. Einzig der sporadische Einsatz von wiederkehrenden Gegenspielern (unter anderem Chuck Connors und David O'Brien) gibt der Serie einen Hauch von Kontinuität in der Erzählung.
Problematisch ist die abgeschlossene Erzählweise vor allem bei Plots, die eigentlich eine viel ausführlichere Behandlung erfordert hätten. An erster Stelle ist dabei natürlich vor allem an Susans Abtreibung zu denken. Innerhalb einer Folge („Children of a Tempest Storm“) erfahren wir, dass Susan schwanger ist, führen sie und Spenser die Diskussion darüber, ob sie das Kind bekommen soll, und entscheidet sie sich schließlich - gegen seinen Willen -, die Schwangerschaft zu beenden.
Es war von den Machern sagenhaft mutig, dieses Thema überhaupt anzugehen. Eine weibliche Hauptfigur eine Abtreibung vornehmen zu lassen - aus dem schlichten Grund, weil sie ihre Unabängigkeit nicht verlieren möchte, das würden sich wohl sogar heute nur die wenigsten US-Serien trauen. In Sachen Mut kriegt „Spenser: For Hire“ hier die Höchstpunktzahl. Daraus keinen größeren Handlungsbogen zu machen, sondern das Thema in einer einzigen Folge abzuhandeln (und in den anschließenden Folgen schlicht zu ignorieren), ist aber natürlich verschwendetes erzählerisches Potenzial zum Quadrat.
NoirAbtreibung war nicht das einzige brisante Thema, dem sich die Serie widmete. Allein in der ersten Staffel beschäftigten sich die Episoden unter anderem mit Dingen wie sexuellem Missbrauch in der Familie, der Ausbeutung illegaler Einwanderer und den Folgen der Gentrifizierung. Gleich in der Pilotfolge macht Spenser selbst die Erfahrung, dass sein altes Büro der Abrissbirne zum Opfer fällt - und er aus seiner angestammten Umgebung vertrieben wird.
Das Amerika, das in „Spenser: For Hire“ gezeigt wird, hat so gar nichts von dem strahlenden Amerika, das man aus anderen 80er Serien kennt. Sowohl von den Themen als auch vom Look her kommt „Spenser“ als Noir herüber. Eine große Rolle spielt dabei Boston als Handlungsort. Die Stadt wird als grau und kalt inszeniert. Fast ständig scheint in der Serie Herbst oder Winter zu sein. Wenn es nicht gerade regnet, dann schneit es. Und umgekehrt. Sonnenschein ist eher eine Seltenheit.
Zwar werden durchaus auch die Sightseeing-Ansichten von Boston ins Bild gesetzt (etwa das Paul-Revere-Monument), viel häufiger spielt die Serie jedoch in den schmuddeligen Ecken der Stadt: Am Hafen mit rostigen Kähnen und verfallenen Lagerschuppen, im Rotlichtviertel und trostlosen Häuserschluchten. Der deutsche Zuschauer kann sich mitunter an den Duisburger Tatort erinnert fühlen. Überhaupt eint „Spenser“ und Schimanski ein ähnlich düsterer Blick auf die Gegenwart der 80er Jahre.
Außendrehs„Spenser: For Hire“ legt einen hohen Wert auf Realismus. Entsprechend hoch ist der Anteil an Außenaufnahmen, welche tatsächlich in Boston gedreht wurden. Das wurde der Serie dann letzten Endes auch zum Verhängnis. In den Einschaltquoten war die Serie weder ein Hit noch ein ausgesprochener Flop. Dass ABC nach drei Staffeln den Stecker gezogen hat, lag nicht zuletzt daran, dass die Serie dem Sender wegen der vielen Boston-Außendrehs zu teuer geworden ist.
Dass „Spenser: For Hire“ seinerzeit nie der ganz große Hit geworden ist, hat viele Gründe. Zwar gaben sich die Macher große Mühe, ähnliche Schauwerte (etwa Verfolgungsjagden, Schießereien) wie die seinerzeit populären Actionserien (á la Das A-Team) einzubauen, doch konnte „Spenser: For Hire“ natürlich nie darüber hinweg täuschen, dass es eine Serie von anderer, düsterer Machart war. Außerdem taten der Serie sicherlich auch die zahlreichen Veränderungen vor und hinter der Kamera nicht gut. Während der zweiten Staffel wurde etwa die weibliche Protagonistin Barbara Stock gegen Carolyn McCormick (als Staatsanwältin Rita Fiore) ausgetauscht, bevor Stock in der dritten Staffel wieder zurückgeholt wurde.
Gaststars: Bevor sie berühmt wurdenInteressant an alten Fernsehserien sind aus heutiger Sicht natürlich nicht zuletzt die Gastauftritte von Schauspielern, die später berühmt wurden. Allein die erste Staffel von „Spenser: For Hire“ hat einige aus dieser Kategorie zu bieten, unter anderem Angela Bassett (American Horror Story), die beiden „Fargo“-Mimen Frances McDormand und William H. Macy (Shameless), Brad Dourif (Deadwood), Eriq La Salle (Emergency Room) und Jimmy Smits (NYPD Blue, Sons of Anarchy).
Den deutschen Zuschauern wird außerdem in der Folge „When Silence Speaks“ der Gastauftritt von Mathieu Carriere auffallen, der als Darsteller aus zahlreichen hiesigen Filmen und Fernsehserien und etwa auch als Teilnehmer aus dem RTL-Dschungelcamp bekannt ist, daneben aber auch immer wieder in internationalen Produktionen mitspielt (zuletzt etwa in The Tunnel).
FazitAllen Unbillen zum Trotz ist „Spenser: For Hire“ eine äußerst sehenswerte und unterhaltsame 80er Serie - mit tollen Figuren, interessanten Themen und einem für die Zeit einzigartigen Look. Sie hat es keinesfalls verdient, der Vergessenheit anheim zu fallen: Das nur als freundlicher Reminder an Fernsehsender, DVD- und VoD-Distributoren.
Robert Urich ist ein sehr charmanter und sympathischer Spenser (auch wenn sich manche Buch-Leser an ihm gestört haben). Und Avery Brooks stiehlt nahezu jede Szene - in der Rolle, die sein großer Durchbruch gewesen ist. Tatsächlich bekam er im Anschluss an „Spenser: For Hire“ sogar eine eigene, allerdings nur kurzlebige Spin-Off-Serie: „A Man Called Hawk“.
In den 90er Jahren wurde „Spenser“ von Lifetime für vier jeweils 90-minütige TV-Filme neu aufgelegt. Robert Urich und Avery Brooks kehrten darin in ihren Rollen zurück. Barbara Stock wurde dagegen wieder fallen gelassen. An ihrer Stelle spielte Wendy Crewson (Saving Hope) die Rolle der Susan.
Danke für diesen Fund an unser geschätztes Mitglied Mr. Stepinfatchit