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Autor Thema: Das Stunt-Männchen kommt  (Gelesen 310 mal)
Dan Tanna Spenser
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« am: 08. März 2020, 23:19:16 »

Ein Bericht in der Zeitschrift "Der Spiegel": Bericht schon von 2008

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Das Stunt-Männchen kommt
Er war mies gekleidet, ein übler Verkehrsrowdy und hatte einen Schrank voller Waffen: Colt Seavers war der Held unserer Jugend. Stefan Schmitt erinnert sich an die Serie mit dem unbekannten Stuntman, die 1983 erstmals über deutsche Fernsehschirme flimmerte - und nicht nur Jungsherzen höher schlagen ließ.


Wie ich mich denn fühle, fragte unser Pannenhelfer. "Wie beim Colt", antwortete ich. Denn zum ersten Mal und lange bevor ich wusste, was das Wort Pick-Up überhaupt bedeutet, saß ich in einem. Rechts von mir mein Vater, links der Automechaniker, der unsere motorschadenlahme Familienkutsche im Frühsommer 1986 von der Autobahn zog. Mit einem Ungetüm von Gefährt, das nur aus Führerhaus, Ladefläche und enormen Reifen zu bestehen schien - und dessen Gattungsbegriff auf dem Schulhof schlicht "Coltwagen" lautete.

Unzählige Male hatte ich diese Wunderautos über Hügel springen, über Abgründe fliegen, über Kreuzungen schliddern und etliche Verkehrsregeln brechen sehen. Am Steuer saß immer Colt Seavers, Hauptfigur und Namensgeber der Serie "Ein Colt für alle Fälle", in den frühen Achtzigern der Held aller kleinen Jungs. Und nicht nur dieser, denn damals brummte auch unser Pannenretter so zufrieden, als verbuche er meine Antwort als persönliches Lob.

Seavers ist wohl die Figur mit dem haarsträubendsten Jobsharing, das je für ein Drehbuch erfunden wurde: Teilzeit-Stuntman und Gelegenheits-Kopfgeldjäger, darauf musste man erst einmal kommen, um sich von der Schwemme der Krimi- und Detektivserien der siebziger und frühen achtziger Jahre abzusetzen. "I'm just the unknown stuntman, that makes Eastwood look so fine" - das ohrwurmhafte Titellied von "Colt"-Erfinder Glen A. Larson (Komposition) und Hauptdarsteller Lee Majors (Gesang) erklärt den Plot: Der unbekannte Stuntman hält seine Knochen hin, damit andere gut aussehen. Die Frauen mögen ihn lieben, bei ihm bleiben werden sie nimmer. Und mit der Schule hatte er es natürlich auch nie. Denn er ist ein Kerl. Und an den erinnere ich mich, als hätte ich gerade gestern im Abschleppauto und vor dem Fernseher gesessen.

Sprünge, Stunts und soziale Totalschäden

Am 8. März 1983 lief die erste Folge der Serie im deutschen Fernsehen - kulturskeptisch betrachtet ein bedenklicher Dauerbeschuss mit Trash und schlechten Vorbildern. Bis Ende 1987 beglückte ein üppig brustbehaarter Mann eine ganze Generation mit Verhaltensweisen, die man heute eher in den Jugendgewaltfantasien eines Roland Koch wiederfindet: Colt prügelte sich fast jede Woche. Colt hatte einen ganzen Schrank voller Waffen. Colt hatte Probleme mit Regeln (auch mit denen der Physik). Colt war ein Verkehrsrowdie. Und Colt war die perfekte Synthese aus modischem Totalausfall (Cowboystiefel, zu hoch sitzende Jeans, Riesengürtelschnalle, bestickter Nylonblouson) und Männlichkeitsgehabe.

Es war wie beim Pick-Up. Von Colt lernte ich, was Machismo ist, lange bevor ich das Wort dafür kannte: "Weiber", murmelte er am Telefon noch bevor er den Hörer auflegte. Seine Auftraggeberinnen Terri und Samantha behandelte er grundsätzlich mit der Zeitlupen-Güte, die man ansonsten nur schwer Hirngeschädigten angedeihen lässt. Jodie, seiner Assistentin bei Stunts und Kopfgeldjagd, begegnete er mit jener übertrieben gestikulierten Fürsorge, die man beim pathologisch eifersüchtigen Vater einer pubertierenden Abschlussballprinzessin vermuten (wenngleich nicht billigen) würde. Seinen rundumstudierten Cousin Howie behandelte er in guten Momenten wie einen Schoßhund.



Kindliche Vergötterung und faszinierte Nörgelei

Doch diese kleingeistigen Nörgeleien entspringen nicht meiner Erinnerung, sondern sind das Ergebnis einer Auffrischung: Zum 25-jährigen Jubiläum der deutschen Erstausstrahlung wurde 2008 die erste Staffel von "Ein Colt für alle Fälle" mit neuer Synchronisation auf sechs DVDs neu veröffentlicht. Endlich, dachte ich unwillkürlich, als ich davon hörte. Schon mehrfach hatte ich mit Kollegen gesponnen, wie schön es wäre, einen Videoabend mit dem guten alten Colt zu machen.

Rund zweitausend TV-Serien gibt es in Deutschland gegenwärtig auf DVD zu kaufen. Rund die Hälfte davon seien (erstmals) im Fernsehen gesendet worden, "als die Generation 30+ ihre Kindheit hatte". Das hat im Winter Till Raether nachgezählt, der Kolumnist der (Erwachsenen-)Zeitschrift "Brigitte". Mag uns die frühere Faszination von Pick-Up, Stunts und Verfolgungsjagden vielleicht suspekt sein: Was wir damals toll fanden, lässt uns auch heute nicht ganz kalt. Raethers Hypothese: Die immer neuen Retro-DVD-Boxen seien "die Light-Version einer Zeitmaschine für Frauen und Männer in den Dreißigern".


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