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Autor Thema: Nosferatu (D, 1922)  (Gelesen 454 mal) Durchschnittliche Bewertung: 5
filmfan
Azubi in der Police Academy
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« am: 18. Juli 2020, 23:36:38 »



s/w Stummfilm
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts reist Hutter, Angestellter des Häusermaklers Knock, im Auftrag seines Herrn von Wisborg nach Transsylvanien, um dem Grafen Orlok ein Angebot zu überbringen. Schon unterwegs mehren sich die Hinweise kommenden Unheils. Auf Orloks Burg entdeckt Hutter, dass der Graf der Vampir Nosferatu ist, vor dem ihn ein altes Buch gewarnt hatte. Die Sorge seiner fernen Braut rettet Hutter auf geheimnisvolle Weise vor dem Vmpir, doch dieser hat auf einem Medaillon Ellens Bild entdeckt. Getrennt, aber gleichzeitig reisen Orlok und Hutter nach Wisborg; der Vampir bringt die Pest in die Stadt. Ellen opfert ihr Leben, um den Ort und seine Menschen zu retten.


"Eine Symphonie des Grauens" hat Friedrich Wilhelm Murnau seinen Nosferatu , diese erste, sehr freie Verfilmung von Bram Stokers Dracula, genannt. Die Umsetzung eines Romans in bewegte Bilder soll Musik ergeben, ein faszinierender Ansatz, aber auch ein gewagter, zumal 1921/22, als das Kino noch in den Kinderschuhen steckte und sich erst als Kunst behaupten musste gegen die Vorurteile seiner Kritiker und gegen die Vormacht der anderen Künste. Aber auch heute, 80 Jahre später, liegt noch eine ganz besondere Herausforderung in Murnaus Ideen, in seinem Stil. Einen berühmten Ausspruch Edgar Allan Poes variierend kann man sagen, der Terror von Nosferatu kommt aus Deutschland, aber er kommt auch aus der Seele. In Murnaus Interpretation ist Stokers Vampir, der hier Graf Orlok (Max Schreck) heißt (so wie alle Namen gegenüber dem Roman verändert wurden, weil die Produktionsgesellschaft den Erwerb der Rechte umgehen wollte), untrennbar mit der Pest verbunden. Auf seiner Reise von Transsylvanien ins norddeutsche Wisborg bringt er die tödliche Seuche mit und verheert wirklich alles. Noch viel stärker als der Dracula des Romans verkörpert Nosferatu also den Tod an sich, und wird damit zu einer in jeder Hinsicht klassischen Figur des deutschen Stummfilms nach dem 1. Weltkrieg, zu einer ins Mystisch-Irreale übersteigerten Allegorie auf die realen Schrecken der Zeit. Doch das ist eben nur eine, die typisch deutsche Ebene von Murnaus grandioser "Symphonie".

Zudem ist Nosferatu auch ein immer noch einzigartiger formaler Triumph, der eher den Gesetzen der Komposition und Poesie als denen der Erzählung folgt. Murnau ist es wirklich gelungen, aus Bildern und Phantombildern, wie denen der Kutschfahrt zu Orloks Schloss, Musik zu machen. Ihr Schrecken kommt aus der Seele und trifft uns auch direkt dort. Max Schreck ist als durch und durch phallischer Vampir nicht nur ein Monster, er ist auch einer der großen Einsamen des Kinos. Der Moment seines Todes, das Opfer Ellens, die durch Schönheit und Reinheit Orlok den Hahnenschrei vergessen lässt, das ist schließlich auch eine wunderbare Variation der Sage vom Fliegenden Holländer. Schon hier, in den frühen 20er Jahren, offenbart sich der Horror als besonders faszinierende Spielart des Melodramatischen.


Darsteller: Max Schreck, Gustav Wangenheim, Greta Schröder, Ruth Landshoff, Alexander Granach
Komponist: Peter Schirmann, Hans Erdmann
« Letzte Änderung: 18. Juli 2020, 23:39:20 von filmfan » Gespeichert

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« Antworten #1 am: 18. Juli 2020, 23:38:12 »

Friedrich Wilhelm Murnaus NOSFERATU aus dem Jahre 1921 ist wohl einer der Filme, die das Prädikat Stummfilmklassiker zu Recht verdienen. Obwohl ihn heutzutage bei Weitem nicht jeder in voller Länge gesehen hat. Das schaurig-einprägsame Bild des von Max Schreck verkörperten Graf Orlok hat jeder sofort vor Augen, wenn von NOSFERATU die Rede ist. In diesem Fall können wir wohl von besonders großem Glück sprechen, dass dies so ist. Eine Vielzahl von Werken aus der Frühzeit des Films ist dem schlechten Material zu Opfer gefallen, auf dem sie abgefilmt worden sind. Sie sind schlicht und einfach nicht mehr erhalten. Auch sieben Filme F.W. Murnaus aus den Jahren 1919-1921 gelten als verschollen oder sind nur noch fragmentarisch erhalten. So z.B. seine erste Regiearbeit DER KNABE IN BLAU aus dem Jahre 1919. Heutzutage besteht nur wenig Hoffnung solche Filme noch aufzufinden, obschon es glückliche Ausnahmen gibt. Von Murnaus Film DER BRENNENDE ACKER ist in beinahe vollständige Kopie 1978 durch Zufall im Besitz eines italienischen Priesters gefunden worden.

Die Ausgangslage für NOSFERATU gestaltete sich um einiges ungünstiger. Hier bedrohte den Film nicht nur der Zahn der Zeit sondern auch ein Gerichtsurteil aus dem Jahre 1924, demzufolge sämtliche Kopien des Filmes vernichten werden mussten. Erreicht hatte dies Florence Stoker, die Witwe des Dracula-Autors Bram Stoker. Sie sah durch den Film die Urheberrechte ihres verstorbenen Gatten verletzt und bekam in dieser Frage auch Recht vor einem Berliner Gericht. Was uns den Film dennoch bewahrte, war der glückliche Umstand, dass zwischen Premiere und Gerichtsurteil ganze zwei Jahre verstrichen, so dass in der Zwischenzeit einige Kopien ins sichere Ausland, namentlich nach Frankreich, gelangten.

Die Ähnlichkeiten zwischen dem Roman DRACULA und der in NOSFERATU erzählten Geschichte lassen sich nicht von der Hand weisen. Da F.W. Murnau die Rechte an Stokers Roman nicht bekam, ließ er Henrik Galeen einige Veränderungen am Originalstoff vornehmen. Dass der Drehbuchautor mehr leistete, als lediglich die Namen der Figuren zu ändern und die Haupthandlung von London ins fiktive Wisborg zu verlegen und eine Geschichte von ganz eigener Qualität schaffte, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Die Handlung wurde gerafft, einige Figuren gänzlich außen vorgelassen und das Ende komplett umgeschrieben.

Retrospektiv, aus der Sicht eines Stadtschreibers des verschlafenen Städtchen Wisborgs, wird in NOSFERATU die Geschichte einer mysteriösen Pestepidemie des Jahres 1938 erzählt. „Lange habe ich über Beginn und Erlöschen des großen Sterbens in meiner Vaterstadt Wisborg nachgedacht. Hier ist seine Geschichte: Es lebten in Wisborg Hutter und seine junge Frau Ellen…“ Dieser erhält von seinem Arbeitgeber, dem Makler Knock, den Auftrag nach Transsylvanien zu reisen, um mit einem Grafen Orlok über den Kauf eines Hauses zu verhandeln. Auf der Burg des Grafen angekommen, merkt Hutter zunächst gar nicht, wem er da ein Haus verkauft. Als Hutter sich dessen bewusst wird, scheint es schon zu spät und der Vampir auf dem Wege nach Wisborg zu sein.

Transit Film veröffentlicht nun erstmals eine nahezu komplett restaurierte Fassung des Filmes, die nun die deutschen Originalzwischentitel beinhaltet. Auch die originalen Viragen wurden wiederhergestellt, nachdem der Film Bild für Bild digital überarbeitet und ausgebessert worden ist. Obschon die Bildqualität nach all der Mühe selbstverständlich trotzdem nicht mit neueren Filmproduktionen vergleichbar ist, ist das Ergebnis bei einem Film dieses Alters dennoch äußerst beeindruckend. Höhepunkt der restaurierten Fassung ist jedoch zweifelsohne die von Berndt Heller rekonstruierte Originalmusik von 1921 nach Hans Erdmann, die dem Untertitel NOSFERATUS – EINE SYMPHONIE DES GRAUENS – zu angemessen schaurigen Ehren reicht und die düstere Atmosphäre der Bilder unterstreicht.
Ein Zeitgenosse Murnaus mokierte sich darüber, was für eine Verschwendung es doch sei, soviel handwerkliches Geschick und filmisches Gespür einzig und allein darauf zu verwenden Schrecken bei den Zuschauern hervorzurufen. Dieser Vorwurf ist – wenn man so will - also bereits ein altes Lied und wird dem Genre des Horrorfilms – dessen Vielfalt sich über die Jahre hinweg herausgebildet und gesteigert hat – auch heute noch entgegengehalten. Dieser Vorwurf ist eng verwoben mit der bis heute anhaltenden Debatte über Sinn und Zweck des Kinos, das im Grunde schon seit seiner Entstehung zwischen Unterhaltung und Kunst hin und her schwankt und am liebsten beides mit einander verbinden möchte. Auf diesem schmalen Grat wandelte auch der expressionistische Film, zu dessen bekannteren Vertretern Filme wie Robert Wienes DAS KABINETT DES DR. CALIGARI oder Paul Wegeners DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM, aber auch Fritz Langs DR. MABUSE – DER SPIELER gehören. Als typisch für den expressionistischen Film dürfen wohl die übertriebene Gestik und Mimik der Darsteller gelten, die beinahe wie eine Karikatur menschlicher Gefühle und Empfindungen wirken. Unterstützt durch ein intensives Licht- und Schattenspiel und die kongeniale Musikuntermalung werden sie für den Zuschauer fühlbar. Ein nahezu perfektes Zusammenspiel.

Wem dies zu wenig erscheint, der mag in NOSFERATU gerne auch einen Propagandafilm gegen den Bolschewismus sehen, in dem die vermeintlich drohende Gefahr aus dem Osten in der Gestalt des Grafen Orlok – in der manche sogar eine Karikatur Lenins zu erkennen glauben - über den Westen hereinbricht. Eigentlich jedoch unnötig anzumerken, dass dies zu viel der guten Interpretation ist. Es ist schon faszinierend genug - so grotesk dies anfänglich auch klingen mag - dass Max Schrecks Graf Orlok das bildgewordene Gefühl dessen darstellt, was man beim Schauen des Filmes empfindet.

 Geniale/r Film/Serie
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