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Autor Thema: Der Todesengel (La vittima designata) (I, 1971)  (Gelesen 545 mal) Durchschnittliche Bewertung: 5
filmfan
Azubi in der Police Academy
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« am: 18. Juli 2020, 23:43:34 »



Ein wohlhabender, dekadenter Graf überzeugt einen desillusionierten Playboy davon, dass sie die Verwandten des anderen ermorden sollen, um mit dem perfekten Verbrechen davonzukommen. Der Graf ermordet die unangenehme Frau des Playboys. Jetzt stellt der Playboy fest, dass er das Schnäppchen nicht halten kann, während die Polizei ihn für den Mord fingert.

Tomas Milian - Stefano Augenti
Pierre Clémenti  - Count Matteo Tiepolo
Katia Christine  - Fabienne Béranger
Luigi Casellato  - Commissario Finzi
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« Antworten #1 am: 18. Juli 2020, 23:46:16 »

Tomas Milian als gejagter Grafiker in einem Semi-Remake von Hitchcocks "Strangers on a Train". Großes Kino! Freuen

Der Graphiker Stefano Argenti bekommt ein Angebot, die Firma, die er zusammen mit seiner Frau Luisa hat, für 250 Millionen Lire zu verkaufen. Allerdings benötigt er dazu die Vollmacht von ihr, und da die Liebe zwischen den beiden nicht mehr vorhanden ist, weigert sich Luisa. Stefano ist daran nicht ganz unschuldig, immerhin hat er ein Verhältnis mit dem Fotomodel Fabienne. Als er gemeinsam mit dieser einen Liebesurlaub in Venedig macht, trifft er dort dreimal auf den geheimnisvollen Grafen Matteo Tiepolo. Dieser prophezeit ihm, dass das vierte Treffen enorm wichtig sein wird. Und tatsächlich, beim vierten Treffen erzählt Stefano dem Grafen von seinem Leid, dass er mit seiner sturen Frau hat. Da macht ihm Matteo ein Angebot, dass Stefano in höchste Bedrängnis bringt...

Da ich den Film zeitgleich mit den anderen NEW-Poliziesci gekauft hatte, und das Cover einen Tomas Milian mit Scharfschützengewehr zeigt, erwartete ich einen typischen Poliziesco. Dumm, dass ich mir die Inhaltsangabe nicht durchgelesen habe. Denn "Der Todesengel" ist eines mit Sicherheit nicht: Actionkino. Die Einordnung fällt nicht ganz leicht, da er in der Zeit eigentlich eine Sonderstellung einnimmt. Wo das italienische Kino von Gialli und Poilziesci überschwemmt wurde, taucht da auf einmal dieser Film auf, und verweigert sich den gängigen Genreklischees. Ich will es mal bei der Bezeichnung als Psychothriller mit dramatischen Einlagen belassen. Wir bekommen also das Duell zweier Personen zu sehen, die sich jedoch fast allein auf psychologische Weise bekämpfen. Matteo ist dabei die psychopathischere Person der beiden, da er ein eiskaltes Ziel verfolgt, dass er um jeden Preis erreichen will. Da muss Stefano dem Angebot nicht einmal zustimmen, Matteo behauptet einfach, dass Stefano es sich wünscht. Und doch behält er da nicht ganz Unrecht, Stefano hegt tatsächlich bestimmte Wünsche. Die dramatische Note erreicht der Film dann im weiteren Verlauf, wenn sich die Schlingen von Matteo und der Polizei immer enger um Stefanos Hals ziehen.

"Der Todesengel" als Film ist quasi ein Remake, bzw. eine Variante von Alfred Hitchcocks "Der Fremde im Zug". Dieser handelt von einer Begegnung von zwei Fremden in einem Zug (nunja, das sagt der Titel), die gemeinsam zwei perfekte Morde begehen möchten. Perfekt deshalb, da beide ihre Opfer nicht kennen und sich damit gegenseitig einen Gefallen tun. Dieser Film basiert auf einem Roman von Patricia Highsmith, der bekannten Krimiautorin. Lucidis Film nun nimmt sich das Grundmotiv von zwei Fremden und dem perfekten Mord heraus, ändert jedoch sonst sehr viel. So wurde der Schauplatz komplett verändert, der Film spielt nun in Rom, Mailand und Venedig. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen, da ich den Hitchcock Film nicht kenne und auch das Buch nicht gelesen habe.

Das Hauptaugenmerk des Films fokussiert sich auf das moralische Dilemma das Stefano durchlaufen muss. Hierbei ist der Film extrem gut konstruiert, da sich die Personen durchaus realistisch verhalten und der Zuschauer dadurch sehr gut in der Lage ist, die Handlungen logisch nachvollziehen zu können. Natürlich braucht man für bestimmte Punkte der Handlung eine gewisse suspension-of-disbelief, aber nie soweit dass man kopfschüttelnd vor dem Fernseher sitzt und das ganze als Unsinn abstempelt. Es gibt inzwischen etliche Hollywood-Thriller, die komplett konstruiert sind, jedoch durchaus überzeugen können und durch die Geschichte eines perfekten Verbrechens und der (Un-)Möglichkeit desselben zu fesseln wissen, ich erinnere hier nur an "Inside Man" von Spike Lee, ein Film der sich um den perfekten Bankraub dreht. Dort hat der Kopf der Bande als Motivation für den Bankraub einfach, dass er es kann. Matteo in "Der Todesengel" äußert seinen Bewegungsgrund für den Plan, dass er es will. Wir haben es also mit einer hoch psychopathischen, aber auch sehr sympathischen Figur zu tun.

Diese Zwiespältigkeit zeichnet sich auch hervorragend im Spiel von Tomas Milian ab. Sein Stefano ist eine absolut glaubwürdige Figur, die leider in die Fänge von Matteo gerät. Dabei will er das zu Beginn nicht unbedingt, dies belegen mehrere Szenen. Als er nach einem Abend im Casino im Taxiboot auf Matteo trifft, möchte er lieber laufen. Und irgendwann äußert er sogar konkret den Verdacht, dass Matteo ihn verfolgt. Und doch kann er sich dem Einfluss des Grafen nur schwer entziehen. Dies liegt zum einen sicherlich daran, dass der Graf tiefe Wünsche von Stefano anspricht. Zum anderen kann man hier aber auch einen leicht homoerotischen Touch hinein interpretieren, denn der Graf macht einen extrem androgynen Eindruck, der sicherlich in irgendeiner Art auch auf Stefano wirkt. Das Psychoduell der beiden Charaktere und der Schauspieler ist wirklich große Klasse und von einer Qualität, wie man es selten im italienischen Kino gesehen hat. Und das Ende nimmt dann nochmal eine Wendung, die nicht ohne weiteres abzusehen war, sich jedoch recht logisch ins Geschehen einfügt. Psychologisch sehr ausgefeilt und realistisch erzählt.

Natürlich ist der Film in seiner Dramatik recht überzeichnet, ohne damit jedoch den Realismus zu zerstören. Da fliegen Tauben durch das nebelverhangene Venedig und Stefano lebt in fast schon barock anmutenden Häusern. Eines davon, am See mit zahlreichen Statuen dekoriert spielt noch eine besondere Rolle, und als Stefano quasi am Boden angekommen ist, spiegelt sich dies auch in der Einrichtung wieder. Am überzeichnetsten ist sicherlich der Graf. Mit langer Mähne und einem knallroten Schal, sowie mit Handschuhen wandelt er durch die Städte und spricht in diesem extrem theatralischen Ton. Darüberhinaus residiert er in einem edel aber altmodisch ausgestattetem Haus am Kanal von Venedig, dass im Inneren wie ein Schloss wirkt, mit alten Gemälden wie von Rubens an den Wänden. Doch all dies liegt in der Person Matteos begründet und fügt sich somit hervorragend in den Film ein. Er selbst sagt von sich, dass er das Melodramatische und die Theatralik liebt, und so lebt er auch und seine plötzlichen Auftritte im Film belegen dies - bis zur letzten Konsequenz.

Dieses Psychoduell liefern sich Tomas Milian und Pierre Clementi. Zu Milian gibt es ja schon einiges zu lesen. Hier jedoch übertrifft er sich selbst und zeigt eine der besten Leistungen, die ich bisher von ihm gesehen habe. Ausserdem singt er übrigens höchstpersönlich das Titellied, der Mann ist also vielfältig talentiert! Sein "Gegenspieler" Matteo wird gespielt von Pierre Clementi. Clementi, ein Franzose der 1999 im Alter von 57 Jahren an Leberkrebs starb, spielt den Grafen angenehm abgehoben und kann allein mit seinem Aussehen und dem Einsatz von Gestik und Mimik die Theatralik dieser Figur hervorheben. Unter anderem war er auch in "Der Leopard" und "Quartett" zu sehen. Die Geliebte von Milian wird von der Niederländerin Katia Christine gespielt, die auch für die nackte Haut des Films sorgt, und diese Rolle mit Bravour bestreitet zwinkern Sie spielte in mehreren Filmen von Regisseur Lucidi mit, hat aber keine sonderlich interessanten Einträge in ihrer Filmographie. Maurizio Lucidi selbst, der dieses Meisterwerk vorlegt, ist inzwischen 75 Jahre alt und drehte "nur" 25 Filme. Allzu bekanntes ist da nicht dabei, eventuell "Ein Hallelujah für Django". Und wo wir schon beim Thema Django sind, für den Soundtrack zeichnet sich Luis Enríquez Bacalov verantwortlich, der unter anderem den Soundtrack zum Original-"Django" schrieb und mit dem Soundtrack zu "Der Todesengel" ein hervorragendes Werk vorlegt. Hier kriegt man nicht die typischen Synthesizer-easy-listening-Klänge zu hören, sondern Streichermusik die dem ganzen einen fast schon melancholischen Touch verleihen. Als kleine Anmerkung schrieb übrigens Aldo Lado am Drehbuch mit, der die beiden tollen Gialli "Who saw her die?" und "Short Night of the glass dolls" inszenierte.

Diese vergessene und unbekannte Filmperle liegt nun auf DVD von NEW vor. Wie immer in einer kleinen Box gibt es zwei verschiedene Covermotive und auch noch eine große Box mit extra Covermotiv. Das Bild schwankt sehr stark. Die meiste Zeit über ist es sehr gut, doch gerade bei vielen Szenenwechseln sieht man, dass die DVD von verschiedenen Mastern zusammen gestückelt wurde. Der Ton hingegen ist gut verständlich und durchgehend deutsch. Daneben gibts noch englisch und italienisch. Als Extras gibt es einen Infotext, Trailer, Bildergallerien, alternative und deleted Scenes, sowie einen PC-Part. Und da befinden sich auch wieder ausdruckbare Bilder, so dass man das geniale Cover dass ihr hier seht in Posterqualität ausdruck kann. Danke NEW!

Als kleine Anmerkung: Die NEW DVD ist ohne Prüfung der FSK veröffentlicht worden, also nicht im normalen Handel zu bekommen. Den Film gibt es aber auch als ungeschnittene FSK 16 Fassung bei amazon.de zu kaufen, wer also Lust bekommen hat und keinen "ausgefalleneren Händler" an der Hand hat, soll dort bitte zuschlagen und sich von dem furchtbar billigen Cover nicht abschrecken lassen. Solche Filme sind unterstützenswert Happy

Fazit: "Der Todesengel" ist ein sehr gut konstruierter und psychologisch ausgefeilter Thriller. Untermalt von einem hervorragenden Soundtrack bekommt der Zuschauer ein intensives Duell zweier großartiger Schauspieler zu sehen. Milian hat sich hier selbst übertroffen. Großes Kino!

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